Die Amerikaner verlassen den Rhein-Neckar-Raum

Nach 67 Jahren zieht die US Army ihre Truppen vollständig aus der Region ab

US Bulldozer Sportplatzbau, Fahrersitz: Peter Gaa

Am Karfreitag des Jahres 1945 zogen die US-Truppen auch in Plankstadt ein und wie hier, so beendeten sie wie auch anderswo die anderen Alliierten die Diktatur der Nationalsozialisten.

In den sowjetisch besetzten deutschen Gebieten hatte die Bevölkerung großes Leid zu ertragen und auch im französisch besetzten Südwesten hatte es die deutsche Bevölkerung anfangs nicht leicht – anders bei den Amerikanern. Bei ihnen war wenig vom Rachegedanken zu verspüren, denn anders als in der UdSSR oder in Frankreich fanden auf ihrem Territorium ja keine Kriegs-


handlungen statt, wo die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen worden war. Natürlich hatte auch die US Army enorme Verluste zu beklagen wie z. B bei der Invasion in der Normandie oder beim Vormarsch der Truppen in Belgien. Dort, wo die Kampftruppen der US-Army hohe Verluste und heftigen Widerstand versprengter SS-Einheiten zu beklagen hatte, war natürlich auch das Verhalten als Besatzungsmacht anders geartet als z.B. in unserem Raum.
 
Die Amerikaner hatten es sich von Beginn an zur Aufgabe gemacht, den Demokratisierungsprozess in Deutschland einzuleiten und zu begleiten, und entsprechend gingen sie vor. Der hoch dekorierte Fünf-Sterne-General George S. Patton vertrat gegenüber seiner Regierung die Auffassung, die Versorgung der notleidenden Bevölkerung sei vorrangiger als die Umerziehung der Deutschen zu demokratisch denkenden Menschen, er fand für seine Meinung aber nicht die Zustimmung des Oberkommandierenden Generals Dwight D. Eisenhower. So entstanden an 36 Orten die sogenannten Amerikahäuser, darunter auch in Mannheim und Heidelberg, die nicht nur Begegnungsstätten waren, sondern in denen amerikanisches Denken, Kenntnisse über Land und Leute in den USA, demokratische Denkweisen und der American way of life vermittelt wurden. Ab Samstag, 6. Juli1946, erschien erstmals wieder der Mannheimer Morgen; die Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung war schon seit dem 5. September 1945 von der Besatzungsmacht wieder erlaubt worden.
 
Bald schon gab es erste Kontakte zwischen der Besatzern und Deutschen.
Im Raum Schwetzingen war es die ehemalige Panzerkaserne, nun Tompkins Barracks genannt, von wo aus die Amerikaner agierten. Die heutige Kilbourne-Kaserne war damals mit polnischen Hilfskräften belegt und war unter dem Namen Polenkaserne bekannt. Auf den Straßen sah man praktisch nur olivgrüne Militärfahrzeuge mit dem weißen Stern zwischen ganz wenigen deutschen Autos und auch die meisten Zivilfahrzeuge trugen US-Kennzeichen. Auffallend war natürlich besonders die Größe der amerikanischen Autos und die deutschen Buben wetteiferten im Erkennen der US-Marken wie Chevrolet, Buick, Ford, Dodge und wie sie alle hießen – im Volksmund „Straßenkreuzer“ genannt, mit viel Chrom und ausladenden Heckflügeln. Da die Amerikaner ja nicht nur in den Kasernen ihre Freizeit verbrachten, gab es bald viele Kontakte zur deutschen Bevölkerung. In Schwetzingen waren es zahlreiche Gaststätten, wo die Amerikaner gute Kunden waren, so besonders z. B. im „Römischen Kaiser“ und in der „Backmulde“ in der Dreikönigstraße oder auch im „Mayerhof“ in der Mannheimer Straße. Selbst im Schlossgarten hatte die Army in der Moschee einen US-Club eingerichtet, der viel frequentiert wurde. Zwar gab es für die Amerikaner das sogenannte Fraternisierungsverbot, aber die Natur ist bekanntlich stärker und das Verbot wurde bereits am 1. Oktober 1945 aufgehoben. Überall wurden amerikanische Clubs gegründet und das Tanzbein konnte man eben nur mit den „deutschen Frolleins“ schwingen; US-Amerikanerinnen und Soldatinnen waren damals noch in weiter Ferne. So bildeten sich Freundschaften, die oftmals in Liebesverhältnisse mündeten, welche oft nicht ohne Folgen blieben. Viele Mädchen heirateten ihre amerikanischen Freunde und folgten diesen bei Versetzungen in die USA. In den 50-er Jahren hatten es besonders die Kinder, die aus Beziehungen mit farbigen US-Soldaten stammten, in der deutschen Bevölkerung nicht einfach, ebenso ihre Mütter. Anfänglich, insbesondere zu Zeiten der nächtlichen Ausgangssperre, mussten sich Deutsche, die sich nicht daran hielten, in Acht nehmen, dass sie nicht von den Amerikanern eine Tracht Prügel kassierten oder zu ein paar Tagen Gefängnis verurteilt wurden.
 
Viele deutsche Staatsbürger fanden auch bei den Besatzungsstreitkräften einen Arbeitsplatz und wer etwas Englisch konnte, hatte da auch schon bald nach dem Krieg eine gute Chance. Viele Frauen betätigten sich als Wäscherinnen für die Soldaten und bekamen als Entgelt so manche Naturalien, die bei uns noch nicht erhältlich waren. Wer einen Kontakt zur US-Truppenküche hatte, staunte nicht schlecht, was es da alles gab, von dem der Nachkriegsdeutsche, also Otto Normalverbraucher, wie er genannt wurde, nur träumen konnte. Und noch besser war dran, wer davon durch Beziehungen vielleicht auch noch profitieren konnte, indem er so manche Banane oder Orange aus der Küche bekam. Selbst die „eisernen Rationen“ der Amerikaner bargen Köstlichkeiten, nach denen sich die Menschen in der Nachkriegszeit die Finger schleckten, wie beispielsweise die Schokolade aus den olivgrünen Dosen. Und erst die Zigaretten! Kein Wunder, dass bis zur Währungsreform 1948 die Zigaretten zur wichtigsten Tauschwährung wurden. Wer Zugang zu US-Zigaretten hatte, konnte gegen Lucky Strike, Camel oder Chesterfield alles eintauschen. Quäker- und Hoover-Speisung trugen zur Gesundheit und Stärkung der Schulkinder bei; Care-Pakete aus den USA entspannten bei mancher Familie den Kampf ums Überleben. Kindern gegenüber zeigten sich die amerikanischen Soldaten äußerst freundlich und großzügig; die wenig bekannten Kaugummis und natürlich die Schokolade waren bei allen Kindern heiß begehrt. Uns in der amerikanischen Zone ging es also trotz aller Entbehrungen im Vergleich zu Menschen in anderen Besatzungszonen relativ gut, daran kann kein Zweifel herrschen.
 
Aber nicht  überall klappten der Einmarsch und die Übergabe so reibungslos wie in kleineren Gemeinden, wie in Plankstadt. Als General George Patton am 22. März 1945 den Rhein überschritt, hissten drei Mannheimer auf dem Turm des Kaufhauses Vetter in N7 die weiße Fahne, um angesichts der amerikanischen Übermacht weitere sinnlose Zerstörungen abzuwenden; dafür wurden sie unverzüglich von der NS-Stadtkommandantur in den Resten der Andreasbastion in den Lauerschen Gärten erschossen. Zur Empörung der Bevölkerung wurden die ausführenden Polizeibeamten nach Kriegsende nur mit geringen Strafen belegt. Nach einem weiteren fürchterlichen Bombardement wurde Mannheim am Donnerstag, dem 29. März 1945, telefonisch an die Amerikaner übergeben.
 
Die Amerikaner besetzten zunächst natürlich wie auch andernorts die Kasernen in Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen. Mit dem Nachzug der Familien der hier stationierten Soldaten wurde aber zunehmend Wohnraum benötigt. So entstanden zu Beginn der 50-er Jahre die großen amerikanischen Wohnsiedlungen Benjamin Franklin Village (BFV) in Mannheim-Käfertal, Patrick Henry Village (PHV) und Mark Twain Village (MTV) in Heidelberg. Tausende von Wohneinheiten entstanden in den Blocks, dazu kamen die Villen der Offiziere. Ich erinnere mich noch, als Patrick Henry Village in der Bauphase war: So einen Bauboom hatten die wenigsten bis dahin erlebt und fasziniert starrte man von den Plankstädter Feldern am alten Hegenich-Hof hinüber zu den Neubauten, die da wie aus dem Nichts aus dem Boden wuchsen. Mit der Fertigstellung der Wohnsiedlungen konnten die deutschen Bewohner der beschlagnahmten Häuser wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. In Schwetzingen beispielsweise waren zuvor in der gesamten Oststadt viele der Villen beschlagnahmt und von US-Offizieren bewohnt. Die große Menge der hier stationierten Soldaten machte aber weiteren zivilen Wohnraum für die Familien erforderlich.

Und so gab es in allen Gemeinden viele Hausbesitzer, die jeden Quadratmeter bis unters Dach an die Amerikaner vermieteten und nicht immer handelte es sich dabei um Luxuswohnraum! Diskussionen um den Mietpreis aber gab es kaum, denn die Mieten wurden von der US Army übernommen. Außerdem war damals 1 US-Dollar ja immerhin 4,20 DM und so machten viele einen sehr guten Schnitt mit den Amerikanern. Aber auch die Amerikaner konnten sich mit den Dollars einiges leisten, was einem sich bessernden Verhältnis zwischen Besatzern und Besetzten nur dienlich sein konnte. Das sieht heute natürlich ganz anders aus, wo 1 US-Dollar nur ca. 0,77 Euro entspricht!
 
Auch in anderer Weise profitierten die Deutschen von den stationierten US-Streitkräften: Als man in Plankstadt einen neuen Sportplatz bauen wollte, sprach mein Vater Heinz Kobelke, der im Personalbüro der Amerikaner in der Tompkins-Kaserne arbeitete, mit den zuständigen US-Offizieren und konnte erreichen, dass die Amerikaner mit ihren schweren Bulldozern „fer umme“ die Erdarbeiten und Planierungen am TSG-Sportplatz übernahmen (Eugen Pfaff und Altbürgermeister Werner Weick berichteten darüber in der Festschrift zum 100-jährigen TSG-Jubiläum.) Ein unschätzbarer Vorteil damals für den Sportbetrieb in Plankstadt!
 
Als wenige Zeit später der katholische Kindergarten St. Nikolaus gebaut werden sollte, erinnerte sich Pfarrer Heinrich Grimm an diese großzügige Geste der Amerikaner. Zu Fuß begab er sich zu den zuständigen Offizieren in die Tompkins-Kaserne und erreichte, dass der Erdaushub für den Kindergarten ebenfalls mit Hilfe des schweren Geräts der Amerikaner schnell bewältigt wurde.
 
Man kann sich vorstellen, dass auch der Golf-Platz in den Oftersheimer Sanddünen ohne die golfbegeisterten Amerikaner, die über viele Jahre den Platz allein benutzten, gar nicht angelegt worden wäre.
 
Die Wälder der Umgebung waren bevorzugtes Manövergebiet der US-Truppen und wer zum Pilzesuchen abseits der Wege in den Wald ging, stieß auf Schritt und Tritt auf Übungsmunition und andere Manöverhinterlassenschaften – für die Buben der angrenzenden Ortschaften natürlich ein abenteuerliches Spielgebiet. Beliebtes Ziel für Fahrradausflüge war die Pontonbrücke über den Rhein unmittelbar neben der Brühler Kollerfähre. Sehenswert, wenn die Brücke bei Manövern ausgefahren und eingenebelt wurde, um aus der Luft unsichtbar zu sein. Im Depot in der Tompkins-Kaserne standen in Reih und Glied die großen Amphibienfahrzeuge, die beim Einsatz am Rhein die Brücke bildeten.
 
Mit den Jahren wurde die Präsenz der US-Army in der Region zur Normalität und fast glaubte man, dass die Amerikaner einfach auf Dauer dazu gehörten. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung änderte sich die weltpolitische Lage grundsätzlich. In den Zeitungen konnte man zunächst von Truppenverlegungen und Reduzierungen lesen und die wirtschaftliche Lage in den USA führte zu militärpolitischen Neuorientierungen. Die Reduzierungen und Standortschließungen innerhalb der Bundeswehr ließen dann keinen Zweifel daran, dass dies auch das Ende der amerikanischen Besatzungszeit einläutete. Die Kommunen waren alarmiert, denn schließlich betraf ein Abzug der Amerikaner weite Bereiche der Wirtschaft. Viele Bürgermeister versuchten, dieses Schicksal von ihren Kommunen abzuwenden, aber die Würfel waren längst gefallen: die US-Truppen verlassen die Region! Die wenigen verbleibenden Truppenteile, die der NATO unterstellt sind, werden anderswo stationiert. Ein trauriges Bild: das bis auf ein paar Hubschrauber verwaiste US-Airfield Heidelberg-Pfaffengrund, leere Wohnblocks in Heidelberg und Mannheim, leere Kasernen ebenda und immer weniger US-Soldaten im Straßenbild.
 
Gewaltige Aufgaben kommen auf die Kommunen zu, denn die riesigen Flächen sind anderweitigen Nutzungen zuzuführen. Manches ist angedacht, Vorschläge werden geprüft, manch einer hofft auf gewinnbringende Möglichkeiten. Aber deutsche Zivilbeschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz, die Amerikaner als Wirtschaftskraft verschwinden, die vielen freundschaftlichen Kontakte zwischen den Menschen sind durch die weiten Entfernungen zumindest in Frage gestellt.