Plankstadt im 20. Jahrhundert Ein Rückblick im Zeitraffer

Zeitstrahl

Was die große Weltgeschichte anbelangt, so findet der amerikanische Historiker Eric Hobsbawm verschiedene Ausdrücke für das Jahrhundert wie etwa:



 „Das Zeitalter der Extreme“; „Das Jahrhundert der Tränen“, oder auch „Das Jahrhundert der Katastrophen“. Natürlich darf bei diesen pessimistischen Bezeichnungen für das 20. Jahrhundert aber auch nicht vergessen werden, welche enormen Fortschritte – auch wenn sie nicht immer zum Besten der Menschheit angewandt wurden – auf allen möglichen wissenschaftlichen und kulturellen Gebieten in den vergangenen 100 Jahren gemacht wurden. Hobsbawm teilt das Jahrhundert in drei Teile: das Katastrophenzeitalter von 1914 bis zu den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs; diesem folgen 25 bis 30 Jahre mit einem unheimlichen Wirtschaftswachstum, also eine Art Goldenes Zeitalter und schließlich ab den frühen siebziger Jahren wiederum eine Ära des Verfalls, der Unsicherheit und der Krise. Etwa seit Beginn der 90er Jahre ist nach Hobsbawm bei Historikern eine wachsende Fin-de-siécle-Trübsal festzustellen.

Nach Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazi-Diktatur, Besatzungsjahren und 50 Jahre Bundesrepublik; nach zwei verheerenden Weltkriegen, Völkermord, der Teilung Deutschlands, dem Kalten Krieg und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten; nach zwei Geldentwertungen dürfen wir feststellen, dass es uns heute am Vorabend der europäischen Einigung eigentlich so gut wie nie geht. Ob wir diesen Lebensstandard allerdings halten können, wird die Zukunft zeigen.

Aber nicht die große Politik soll Gegenstand dieser kleinen Betrachtung sein, sondern unsere Heimatgemeinde Plankstadt soll in den Mittelpunkt unseres Blickwinkels gerückt werden. Welche Ereignisse prägen das Plänkschter Jahrhundert? Was gerät in Vergessenheit, was bleibt? Folgen wir ab dem Jahr 1900 ein wenig dem Zeitstrahl, so rücken doch einige Ereignisse und Personen ins Blickfeld, die würdig sind, im Gedächtnis festgehalten zu werden, auch wenn es sich in diesem Rahmen nur um einige unvollständige „Blitzlichter“ handeln kann.

Auch für Plankstadt begann das Jahrhundert mit einer Katastrophe, als in der Nacht vom 26. auf den 27. August 1900 ein Großbrand 73 Gebäude, darunter 17 Wohnhäuser in der Wieblinger-, Grenzhöfer- und Leopoldstraße einäscherte. - Die Plankstädter Katholiken konnten seit 1899 den Bau der Pfarrkirche verfolgen und durften im Jahr 1904 mit dem Freiburger Erzbischof Thomas Nörber die Einweihung der Pfarrkirche St. Nikolaus feiern. Seit 1907 verfügt Plankstadt über eine eigene Wasserversorgung mit damals immerhin 23 km Rohrleitungen und dem ebenfalls 1907 fertiggestellten Wasserturm. 1910 hatten die ersten wenigen Haushalte elektrischen Strom und 1911 erwarb Georg Hüngerle das erste Kraftfahrzeug Plankstadts. - Der Erste Weltkrieg forderte unter den Soldaten aus Plankstadt 137 Opfer und gegen Kriegsende machte sich Mangel und Not auch in unserer Gemeinde breit. 1914 hatte Johann Helfrich die ‚Plankstadter Zeitung‘ gegründet, die sein Sohn Ernst dann bis 1936 weiterführte, dann fiel sie den nationalsozialistischen Machthabern zum Opfer. An die Gasversorgung wurde Plankstadt bereits 1916 angeschlossen und 1919 wurde mit dem Bau der Eisenbahner – Siedlung begonnen. Ein großer Fortschritt im Bereich der Volkshygiene war 1925 die Eröffnung des Volksbades im Keller der Friedrichschule, das bis 1977 geöffnet war. Die Eröffnung der Straßenbahnlinie 11 zwischen Schwetzingen und Heidelberg im Jahre 1927 machte die Plänkschter mobiler und spielte fortan eine wichtige Rolle in der Umwandlung Plankstadts vom landwirtschaftlich geprägten Dorf zur Pendlergemeinde.

Im Jahr 1937 wurde auf dem Friedhof die Leichenhalle gebaut, was sie durch den Bauzeitpunkt aber noch nicht zum nationalsozialistischen Symbol machte, wie kürzlich ein Zeitgenosse behauptete. – Dr. Paul Bönner war nicht nur der erste Arzt in Plankstadt, sondern ist auch heute noch infolge seiner menschenfreundlichen und oft unkonventionellen Arbeitsweise eine Legende in der Gemeinde – er wurde 1939 erster Ehrenbürger Plankstadts. Als weitere Ehrenbürger folgten Josef Fleuchaus (1959), Georg Baust (1966) und Werner Weick (1992).

Bemerkenswert auch ein Fußballspiel der Gauliga – zu jener Zeit die höchste deutsche Spielklasse - zwischen dem VfR Mannheim und der TSG Plankstadt im Jahr 1941, das – man höre und staune – von den Plänkschtern mit 3:1 gewonnen wurde. Allerdings währte der Jubel nur eine Woche – dann kam der SV Waldhof und Plankstadt kassierte eine 15 : 3 - Niederlage! - Mit dem Untergang des Dritten Reiches - die Gemeinde Plankstadt hatte 360 Kriegsopfer zu beklagen - kam am Karfreitag 1945 die amerikanische Besatzung in Form der VII. Armee in die Gemeinde. Sie kamen aus Richtung Edingen – Grenzhof, beschlagnahmten Gebäude und Wohnungen und richteten auf dem Sportplatz ein Gefangenenlager ein. Rückblickend kann man heute sagen, dass die Menschen in den von den Amerikanern besetzten Gebieten Deutschlands noch am glimpflichsten wegkamen. Das Straßenbild damals war geprägt von US-Militärfahrzeugen und selbstverständlich ließ sich nach anfänglichem Zaudern und dem gegenseitigen Abbau von Ängsten auch mit den GI’s gut Geld verdienen – wenn auch nicht von allen.

Nach dem Krieg war Plankstadt gewachsen – über 1000 Heimatvertriebene hatten hier eine neue Heimat gefunden. Die Nachkriegsjahre waren gekennzeichnet vom unermüdlichen Streben, die persönlichen Lebensbedingungen zu verbessern. Die Folgen des Krieges mußten überwunden werden; in den Jahren der allgemeinen Not war auch bei uns mehr Solidarität untereinander festzustellen, als dies im heutigen Wohlstand der Fall ist. 1955 kam der letzte Kriegsheimkehrer aus russischer Gefangenschaft zurück. - Ab den späten 50er Jahren ist dann in der Gemeinde eine rege Bautätigkeit festzustellen, die sich bis heute fortgesetzt hat. So entstanden die Dr.-Erwin-Senn-Halle 1958; die Humboldtschule und das Feuerwehrgerätehaus 1961, die Turnhalle bei der Friedrichschule 1968, die Aussiedlerhöfe im Jungholz 1969, das Caritas-Altenzentrums 1973 (nach nur 26 Jahren wird es nun wegen irreparabler Bauschäden am Beton abgerissen werden), die Mehrzweckhalle 1978 und das Gemeindezentrum 1991 – um hier nur die größten Bauvorhaben zu nennen.

1971 konnte die Gemeinde Plankstadt mit zahlreichen Festlichkeiten auf 1200-Jahre urkundliche Erwähnung zurückblicken und 1973 gelang nach vielfältigen Bürgerprotestaktionen der Erhalt der Selbständigkeit gegen die Eingemeindungspläne nach Schwetzingen.

Ende 1973 stellt die Milchsammelstelle in der Ladenburger Straße ihren Betrieb ein. Der Plankstädter Grundwasserstrom wies keine Trinkwasserqualität mehr auf; dadurch wurde das Plankstädter Wasserwerk 1981 geschlossen und seither kommt unser Wasser Schwetzingen. Ab 1984 existiert auch die öffentliche Viehwaage nicht mehr und mit dem letzten Eber endete 1986 auch die Vatertierhaltung in der Gemeinde. Auch die Landwirtschaft hat sich verändert. Jahrzehntelang gehörten die Tabakverwiegungen am Rathaus oder die Zuckerrübenverladungen am Bahnhof zum festen Bestandteil des Ortsbildes; natürlich gehört Plankstadt noch immer zu den Tabakgemeinden und auch Zuckerrüben werden noch angebaut, aber die Bevölkerung nimmt dies aufgrund der Strukturveränderungen in dem Maße wahr, wie dies früher der Fall war.
1973 wird das Helmlingshaus, das ehemalige Jesuitengut, abgerissen und macht einer Grünanlage Platz. 1978 erfolgt der Abriss des „Löwen“ in der Luisenstraße, heute das Volksbank-Gebäude. Der alte „Goldene Pflug“ fiel im Jahr 1978 der Spitzhacke zum Opfer. Die Wirtschaftskonzession des „Pflugs“ beruhte auf dem Realrecht, das sonst nur noch der „Goldene Hirsch“ bis zum heutigen Tag besitzt. Beim Realrecht liegt das Wirtschaftsrecht auf dem Grundstück und nicht bei einer Person. Dieses Recht erlischt, wenn eine Wirtschaft länger als drei Jahre geschlossen bleibt. Wer beim Abriß der alten Gebäude von Wehmut befallen wird, darf jedoch nicht vergessen, welche Kosten für die Unterhaltung und Instandhaltung auf die jeweiligen Besitzer zugekommen wären.

Manche Veränderungen wurden zu Recht auch von vielen bedauert, so die endgültige Stillegung der Bahnlinie Heidelberg – Schwetzingen 1967 und die Einstellung der Straßenbahnlinie 1974. – Im sozialen Bereich machte sich die Auflösung der evangelischen und katholischen Schwesternstationen für die Kranken negativ bemerkbar. Was diese Frauen jahrzehntelang im Dienste des Nächsten leisteten, ist von den Folgeorganisationen nur unzureichend zu ersetzen.

Im Zeichen der Völkerverständigung steht die Partnerschaft mit Castelnau-le-Lez in Südfrankreich, die im Jahre1981 von den Bürgermeistern Werner Weick und Pierre Varray besiegelt wurde.
Am 5. November 1982 wird der Plankstädter Gerhard Ruppert (Ordensname Fidelis) in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach in Unterfranken zum Abt gewählt. Er wird dadurch – was die Heimatgemeinde natürlich sehr freut – zu einem der prominentesten Plänkschter. - Zu diesen gehören auch die Politiker Dr. Lothar Gaa, Landtagspräsident von Baden-Württemberg in den Jahren 1980 bis 1982 sowie Karl-Peter Wettstein, der 1997 auf ein Vierteljahrhundert Abgeordnetentätigkeit im Landtag zurückblicken konnte. – Auch im Bereich des Sportkegelns gehören die Plankstädter Mitglieder der deutschen Nationalmannschaft sowie der vierfache deutsche Meister Freiholz Plankstadt schon seit Jahren zur Weltspitze.

Zur Entlastung der Ortsstraßen vom Durchgangsverkehr wurde 1999 die Ostumgehung fertiggestellt; der seit Jahren beschlossene Bau der B 535 ist nach wie vor nicht in Sicht.

Ab 1971 wurde das Gewerbegebiet Grenzhöferweg links erschlossen und bebaut; der erste Betrieb war die Welde-Brauerei, gefolgt 1972 von der Rhein-Pharma, 1999 begann die Bebauung des gegenüberliegenden Gewerbegebiets Plankstadt Nord-West – zukunftsorientierte Entscheidungen der Gemeinde.
Und noch ein Wunder: die Fusion der beiden großen Plankstadter Sportvereine TSG 1890 und SC Eintracht ist seit diesem Jahr beschlossene Sache – hinsichtlich der großen finanziellen Belastungen beider Vereine und der doppelten Subventionierung durch die Gemeinde, aber auch in sportlicher Hinsicht eine durch und durch vernünftige Entscheidung.

Die Entwicklung der Einwohnerzahlen der Gemeinde zeigt den sprunghaften Anstieg von 3036 zu Beginn des Jahrhunderts über 5806 im Jahr 1940, 7087 im Jahr 1947 bis 9461 im Jahr 1999. Bis in die 50er Jahre hinein lernten die Kinder in der Schule, dass Plankstadt das größte Dorf Badens sei. Dies hat sich nach 1950 dann gewandelt.

Wie wird es weitergehen im neuen Jahrtausend? Wir wissen es nicht – und das ist sicher auch gut so.
Auch wenn die große Weltpolitik kaum in Plankstadt Station gemacht hat, ihre Spuren hat sie dennoch hinterlassen. Was können wir uns erhoffen und wünschen vom heraufziehenden 3. Jahrtausend? Wenn es den Politikern gelingen würde, aus den vergangenen 100 Jahren ihre Lehren zu ziehen und sie alles daransetzen würden, dass sich die schrecklichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts, von denen einige selbst das sogenannte ‚finstere Mittelalter‘ noch in den Schatten stellen – wenn also ein einziges Mal aus der Geschichte etwas gelernt werden würde, dann wollen wir schon zufrieden sein. Und welche Aufgabe fällt uns zu, die wir keine Politiker sind? In einer Welt, in der sich die Wege immer mehr verkürzen, in der die Mobilität aller Menschen in atemberaubender Weise zunimmt, da ist vor allem die Toleranz unter den Menschen gefragt, damit ein friedliches Miteinander in Zukunft möglich sein wird. Denn was haben wir dazu gelernt, wenn wir uns über die Gesellschaftsstrukturen im Buch „Onkel Toms Hütte“ aufregen und den ausländischen Mitbürger in unserem Ort und am Arbeitsplatz oder den Behinderten ablehnen und ausgrenzen? 2000 Jahre christliches Abendland – das ist nicht nur Geschichte, sondern auch mahnende Verpflichtung für uns alle.

Die Bürgermeister:

Zur Jahrhundertwende war Friedrich Treiber seit 1894 Bürgermeister; es folgten Peter Helmling (1901-1918), Ludwig Ahlheim (1919-1928), Peter Helmling (1928-1933), Valentin Treiber (1933-1945), Georg Gerlach (1945-1946 kommissarisch), Karl Eberwein (1946-1948), Georg Baust (1948-1966), Werner Weick (1966-1992), Wolfgang Huckele (1992 - 2008), Jürgen Schmitt (ab 2008)

Die evangelischen Pfarrer:

Heinrich Heinzerling (1899-1926), Hermann Haßler (1926-1931), Gustav Friedrich Brand (1931-1954), Hermann Schwarz (1954 - 1973), Fritz Hertwich (2.9.1973 – 30.7.1979), Pfarrer i.R. Ding (Pfarrverwalter 1.9.1979 – 30.9.1980), Dr. Dieter Sänger (1980 - 1985), Pfarrvikar Schäfer (Pfarrverwalter vom 1.4.1985 – 30.8.1985), Johannes Lundbeck (1.9.1985 – 30.11.1997), Pfarrvikar Jörg Geißler (Pfarrverwalter vom 1.12.1997 – 31.12.1998), Annemarie Steinebrunner (1.1.1999 - 2008), Martin Schäfer (seit 2008)

Die katholischen Pfarrer:

Julius Dörr (1901 - 1918), Eugen Augenstein (1918 - 1933), Franz Stattelmann (1933 - 1937), Robert Friton (1937 – 1948), Heinrich Grimm (1948 - 1962), Ludwig Bender (1962 - 1968), Werner Reihing (1968 -1978), Rudolf Grammetbauer (1978 - 1994), Bernhard Brinks (1994 - 2004), Hermann Bundschuh (kommissarisch 2004 - 2005), Wolfgang Gaber (2005 - 2011 mit Kooperator Reinholdt Lovasz), Friedhelm Böser (seit 2012)

(Verfasser: Ulrich Kobelke)