Lokomobil und Dreschmaschine von Georg Hüngerle

Frühe Technik in Plankstadt

Lokomobil und Dreschmaschine

Vor einiger Zeit wurde hier über das erste Automobil vor 100 Jahren in Plankstadt berichtet (Heft 20/2011).

Der Besitzer Georg Hüngerle gehörte in Plankstadt zweifelsohne zu den technik- und fortschrittsbegeisterten Menschen an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Damit widerlegt er eindrucksvoll die oft kolportierte Fortschrittsfeindlichkeit der Plankstädter, wie sie in der Anekdote um das Foto der ersten Straßenbahn 1927 am Rathaus („Was brauche mer ä Schdroßeboahn, mer hewwe Gail, mer mache’s!“) verschiedentlich fälschlicherweise zum Ausdruck gekommen ist. Dabei wird übersehen, dass es sich bei diesem Ereignis tatsächlich nur um eine Anekdote handelt, die aus Geschäftssinn zum Zwecke des Postkartenverkaufs von einem einfallsreichen Mitbürger initiiert worden war.
 
Zurück zum Lokomobil: Die dampfbetriebene mobile Antriebsmaschine, das Lokomobil und der Dreschwagen mit integrierter Strohpresse bildeten ein Gespann. Den Antrieb übernahm ein breiter Lederriemen. Im Spätsommer zur Erntezeit stand das Ensemble auf dem Sportplatz am verlängerten Waldpfad (heute Festplatz). Vermutlich handelte es sich um ein Fabrikat des Mannheimer Landmaschinenherstellers Heinrich Lanz (heute „John Deere“). Ein altes Lexikon berichtet, dass die Firma damals eine Maschine namens „Koloss“ baute, die täglich bis 1.600 Zentner Weizen dreschen konnte. Das holz- oder kohlebefeuerte Lokomobil hatte eine Leistung von ca. 30 bis 40 Dampf-PS.
 
Bei größeren Ernte-Mengen machte man Hausdreschung. Mit eingeklapptem Schornstein zogen 2 Pferde das Lokomobil und die Dreschmaschine zum neuen Einsatzort, wo sie wieder aufgebaut wurde. Die Dreschmaschine mit Strohpresse zuerst, dann wurde die Dampfmaschine vorgespannt. Georg Hüngerle peilte mit bloßem Auge die Riemenflucht, damit der Treibriemen genau parallel auf den Antriebsrädern lief und unter Belastung nicht absprang. Zuletzt verkeilte man die Räder und das Gerät konnte mit Wasser betankt und angeheizt werden. Das zu dreschende Getreide lag in Buscheln (Garben) auf Erntewagen bereit, die der Reihe nach neben die Dreschmaschine fuhren, wo die Garben dann vom Wagen in den Schacht der Maschine geworfen wurden. Ein Gebläse trennte die Spreu (= Getreidehülsen und Grannen, das sog. Xied) vom Getreide und blies aus einem dicken Rohr mit viel Staub nach außen. Dieses Xied ("Gesiebtes") wurde als Einstreu in Hühner- und Schweineställen genutzt. Die Strohpresse an der Rückseite der Lanz-Dreschmaschine konnte wahlweise auf  losen Strohauswurf oder fertig verschnürte Strohbündel umgestellt werden. An der rechten Maschinenseite mit mehreren trichterförmigen Auslaufschächten für die Getreidekörner klemmten die Getreidesäcke. Hier füllte sich Sack für Sack mit je nach Größe 25 oder 50 kg Getreide, die von einem weiteren Helfer abgeklemmt, verschnürt und mit einer Sackkarre oder auf dem Rücken zum leeren Erntewagen und danach zu Hause in den Trockenspeicher (Tenne) transportiert wurden.
 
Das Reinigungsgebläse und das Dreschwerk liefen am besten bei einer festgelegten gleichmässigen Geschwindigkeit. Diese einzuhalten war die Aufgabe des Maschinisten der Dampfmaschine, meistens Georg Hüngerle selbst. Das Nachheizen des Kessels durch den Heizer sorgte für einen konstanten Dampfdruck, den ein großes Manometer anzeigte. Bei Überdruck oder einer Betriebsstörung der Dreschmaschine konnte über ein Notventil und die Dampfpfeife überschüssiger Druck abgelassen werden. Den Wasserstand des Kessels zeigte ein außen liegendes Manometer. Beim Nachtanken aus dem mitgeführten Wassertankwagen war eine größere Pause fällig, das Feuer unter dem Kessel brannte zunächst herunter und musste anschließend wieder hochgeheizt werden. Riemenspannung, Schmierung und die Ölversorgung der Lagerstellen forderten die Aufmerksamkeit des Maschinisten. Ein störungsfreier Betrieb brauchte viel Geschick und Erfahrung. Auf dem Foto mit Georg Hüngerles Dreschmaschine ist eine Bedienungsmannschaft von 12 Leuten zu erkennen.
 
Das ganze Gewusel von Menschen, Zugtieren und Maschinen war begleitet von den unterschiedlichsten
Arbeitsgeräuschen, vielfältigem Lärm, Flüchen und Zurufen der arbeitenden Menschen und jeder Menge Getreidestaub, der auf der schwitzenden Haut klebte und juckte und biss. Am Abend waren dann alle geschafft von der langen und schweren Arbeit, aber glücklich über die eingefahrene Ernte und reif für ein deftiges Abendessen. Lebhafte Gespräche über Tagesereignisse und Dorftratsch begleiteten die Mahlzeit. Der Tag klang aus mit einem wohltuend entspannenden Vollbad in der häuslichen Zinkbadewanne. Die beschwerliche Drescharbeit war ausschließlich Männersache, die Frauen kümmerten sich derweil um die Haustiere, besorgten das Vesper, Mittag- und Abendessen und die Getränke.
 
Georg Hüngerles Dreschmaschine ist auf einem alten Foto (ca. 1905) verewigt samt der 12 Mann Personal und einem Pferdefuhrwerk mit hölzernem Wasserfass für das Nachtanken der Maschine.  Georg Hüngerle als junger Mann von ca. 33 Jahren steht in der Mitte, den rechten Arm selbstbewusst in die Hüfte gestemmt, den Daumen der linken Hand in die Hosentasche eingehakt. An die alte Dreschmaschine erinnerte später im Hause Waldpfad 12 nicht nur der Familien-Beiname „Dreschmaschinen-Hüngerle“, sondern auch noch verschiedene Werkzeuge wie Ölkannen, dicke Fettpressen, lederne Treibriemen und riesige Schraubenschlüssel. Außerdem war die Scheune, damals übrigens mit 21 Metern eine der höchsten in Plankstadt, mit einem massiven Betonboden versehen, unterkellert und hatte zwei abgedeckte Montagegruben. Der Keller diente später als Vorratskeller für Rüben (Schweinefutter).

UK (Quellen: Gemeindearchiv und Winfried Wolf)