1974: Plankstadt bleibt selbständig!

Festzug

Am Donnerstag, den 27. Juni 1974 fiel in der 60. Sitzung der 6. Wahlperiode des Landtags von Baden-Württemberg eine schicksalsträchtige Entscheidung, die der Gemeinde Plankstadt die Eingemeindung nach Schwetzingen erspart hat.

In der amtlichen Sprachregelung des Landtags hieß dies genauer: „Zweite Beratung eins Gesetzes zur Reform der Gemeinden in der Region Unterer Neckar (Gemeindereformgesetz Unterer Neckar) – Drucksache 6/4412 mit dem Antrag des Ausschusses für Verwaltungsreform – Drucksache 6/5212.



Bei der nachfolgenden Abstimmung wurde der § 23, in dem die Bildung einer Stadt Schwetzingen, bestehend aus den Kommunen Schwetzingen, Plankstadt und Oftersheim, beschlossen werden sollte, bei 7 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen aus dem Gesetz gestrichen. 

Was sich heute so lapidar als historische Begebenheit liest, sorgte damals viele Monate für Hochspannung in den betroffenen Gemeinden. Viele Emotionen wurden freigesetzt, manche Ängste und Besorgnisse muten aus heutiger Sicht vielleicht sogar übertrieben polemisch an – aber ist das verwunderlich, wenn Entscheidungen anstehen, wo das innerste Heimat- und Zugehörigkeitsgefühl des Menschen tangiert wird? Überall wurden kommunale Fusionen groß geschrieben, mitunter kamen monströse Gebilde heraus wie beispielsweise die Stadt Lahn, eine unselige Fusion vom 1. Januar 1977, die aufgrund des massiven Protestes der Bevölkerung zum 31. Juli 1979 wieder aufgelöst wurde. (Die Stadt umfasste die frühere kreisfreie Stadt Gießen, die Stadt Wetzlar sowie 14 weitere umliegende Gemeinden.)

In Plankstadt sträubte sich alles gegen die Fusion, angefangen von der Verwaltung unter Bürgermeister Werner Weick, die Fraktionen des Gemeinderats und auch die Plankstadter Landtagsabgeordneten Dr. Lothar Gaa (CDU) und Karl-Peter Wettstein (SPD). Eine erste Bürgeranhörung zum Thema, die am 15. Mai 1973 stattfand, ergab folgendes Bild: Bei einer Stimmbeteiligung von 78% (4.988 von 6.395 Berechtigten) sprachen sich 96,79% gegen eine Fusion aus, 2,8% stimmten dafür und nur 18 Stimmen waren ungültig. Bei einer 2. Bürgeranhörung, die am 20. Januar 1974 stattfand,waren in Plankstadt 6.493 Bürger stimmberechtigt. Ihr Votum abgegeben haben 5.505 Bürger. Nur 17 Stimmen waren ungültig, 209 ( = 3,95%) stimmten für die Fusion und 5.079 ( = 96,05%) stimmten für den Erhalt der Selbständgkeit..
Dies war zwar ein deutliches Signal, brachte aber die Landesregierung keineswegs von ihrem Weg hin zu einer Fusion ab.

Am 19. Februar 1974 kam Innenminister Karl Schiess nach Schwetzingen und diskutierte mit den betroffenen Bürgermeistern sowie Vertretern der Gemeinderatsfraktionen. Außerdem waren die zuständigen Landtagsabgeordneten mit von der Partie. Die Bürgermeister Weick und Frei verwiesen auf den überaus deutlichen Willen der Bürger, der bei den Anhörungen zutage getreten war. Der Innenminister betonte, dass man nicht auf alle Anhörungsergebnisse eingehen könne und wiederholte einmal mehr die Regierungsargumente für die Fusion. Übereinstimmend bestand unter den Betroffenen der Eindruck, dass die Veranstaltung eine reine Formsache gewesen sei und der Bürgerwille keinerlei Beachtung gefunden habe.
Am 25. Februar 1974 hatte die Gemeinde Plankstadt in einer Eingabe an die Abgeordneten noch einmal in sechs Punkten die Argumente für den Erhalt der Selbständigkeit dargelegt.

Die Vereinigung der Bürgerinitiativen zur Gemeindereform in Baden-Württemberg lud für den 28. Februar 1974 zu einer Kundgebung vor dem alten Schloss in Stuttgart ein, bei dem den Abgeordneten Resolutionen überreicht werden sollten. Die Plankstadter Bürgerinitiative wurde von Edmund Schneider geführt.
Der damalige CDU-Landtagsabgeordnete und spätere Landtagspräsident Dr. Lothar Gaa erinnert sich an einen Hubschrauberflug mit Innenminister Schiess über die Gemeinden, bei denen der Innenminister auf die enge räumliche Verbindung der drei Gemeinden hinwies und dies als bestes Argument für die Fusion wertete. Dr. Gaa hob jedoch dem gegenüber die Strukturen, den Geist und die gewachsene Mentalität der Gemeinden hin, die wichtiger als geographische Gegebenheiten seien. Dies schien auch den Innenminister überzeugt zu haben, denn er widersetzte sich der Selbständigkeit der drei Gemeinden nicht weiter.

Die Argumentationen der Abgeordneten für die Streichung des § 24 waren inhaltlich recht ähnlich.
Dr. Lothar Gaa argumentierte, dass nur ein Zusammenschluss der fünf Gemeinden Schwetzingen, Plankstadt, Oftersheim, Brühl und Ketsch auf Grund der bereits vorhandenen Zusammenarbeit überhaupt einen Sinn ergäbe – gerade dies wolle die Landesregierung aber nicht. Außerdem hätten alle drei Gemeinden deutlich mehr als 8.000 Einwohner. Durch die Bildung dieses neuen Mittelzentrums wäre auch die Struktur des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim gestört.

Karl-Peter Wettstein (SPD) nannte den § 24 des Regierungskonzeptes inkonsequent, weil es der einzige Zusammenschluss im Rhein-Neckar-Kreis sein sollte. Außerdem sei die Aufgabenstellung der neuen Groß-Gemeinde nicht deutlich geworden. Die Gemeinden Brühl und Ketsch knnten nicht ausgeklammert werden und als letztes gewichtiges Argument führte er die 96%ige Ablehnung bei den Anhörungen an.
Die FDP/DVP-Fraktion begründete ihren Antrag auf Streichung des § 24 mit der Tatsache, dass die Einwohnerzahlen von Plankstadt und Oftersheim zeigen, dass die Gemeinden stark genug seien, eigene Verwaltungsräume zu bilden; die notwendigen Einrichtungen dazu seien vorhanden. Lediglich für Schwetzingen würden sich aus einer Fusion Vorteile ergeben.

Wenn wir heute – 30 Jahre danach – uns unserer Selbständigkeit erfreuen, dann sollte man vielleicht keine alten Streitfragen mehr weiter verfolgen, wie z.B. wer denn nun letztendlich die Lorbeeren für die verhinderte Fusion verdient habe. Mit Sicherheit haben aber alle dazu beigetragen: die Gemeindeverwaltung, der Gemeinderat, die Bürgerinitiative und alle Bürger, die ihr Votum für die Selbständigkeit abgegeben haben.
Auch sind die Verdienste der Landtagsabgeordneten, allen voran Dr. Lothar Gaa, nicht hoch genug einzuschätzen. Natürlich haben auch SPD und FDP/DVP den Erhalt der Selbständigkeit stark unterstützt – jedoch darf man dabei die politischen Mehrheitsverhältnisse im Stuttgarter Landtag nicht außer Acht lassen.
Die Gebietsreform war ein Kind der Großen Koalition aus CDU und SPD; bei den Landtagswahlen von 1972 jedoch erreichte die CDU die absolute Mehrheit Im Landtag und wenn es nicht gelungen wäre, die Mehrheit der CDU-Landtagsfraktion umzustimmen, wäre am Zusammenschluss der drei Gemeinden kein Weg vorbei gegangen – wobei keinem der anderen Fusionsgegner das Bemühen um den Erhalt der Selbständigkeit abgesprochen werden soll.