Wie das „Scipiogässel“ zu seinem Namen kam

Scipiostraße

Oft wird die Frage gestellt – und nicht nur von Ortsunkundigen – welchen Bezug Plankstadt wohl zu den alten Römern hat.

Grund ist die Scipiostraße oder – wie alte Plänkschter sagen – das Scipiogässel. Und in der Tat scheint es merkwürdig, dass ausgerechnet einer der beiden Scipios, die beide nichts mit dem transalpinen Germanien zu tun hatten, hier durch eine Straße geehrt wird. Zwar waren die Römer auch in unserem Raum, aber das war zu einer späteren Zeit und mit anderen uns bekannten Personen. Scipio der Ältere (Scipio maior; 235 – 183 v.Chr.), der Bezwinger Hannibals und Siegers im 2. Punischen Krieg gegen die mächtige nordafrikanische Handelsstadt Karthago und sein Adoptivenkel Scipio der Jüngere (Scipio minor; 185/84 – 129 v.Chr.), der Zerstörer Karthagos im 3. Punischen Krieg haben beide in der Tat rein gar nichts mit der Namensgebung der kleinen Plankstadter Straße zu tun.

Alle Überlegungen und Mutmaßungen in Richtung römische Antike bei der Namensgebung der Straße gehen völlig fehl. Der Mannheimer Reichstagsabgeordnete Eduard Ferdinand Scipio war es, dem nach dem verheerenden Brand im Gemeindegässchen am 25. Juli 1895 die Not der Brandgeschädigten zu Herzen ging, und der daraufhin diesen eine Spende von 1000 Mark zukommen ließ. Daraufhin beschloss die Gemeinde, den edlen Spender durch die Umbenennung des Gemeindegässchens in Scipiostraße zu ehren. Wer war dieser Mann, der in der Sommerfrische von St. Moritz von der Katastrophe in Plankstadt erfuhr und sich spontan zur Hilfe entschloss? Bei dem Brand war die gesamte Straßenhälfte zur Ladenburgerstraße hin zerstört worden.
Die meisten der Hausbesitzer waren nur unzureichend versichert und so war die Not groß. Der Brand führte dann sogleich zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehr. Nachdem Kommerzienrat Scipio das Dankschreiben der Gemeinde erhalten hatte, überwies er nochmals 200 Mark für die neugegründete Freiwillige Feuerwehr.
Geboren am 27. 8: 1837 in Mannheim, gestorben am 22. 5. 1905 in Mannheim, war Ferdinand Scipio Großherzoglich Badischer Geheimer Kommerzienrat, Gutsbesitzer auf Hofgut Rineck im Kreis Mosbach, Gründer der Pflanzung Idenau in Kamerun, Mitglied der Badischen Ersten Kamme und zweimal Abgeordneter des Deutschen Reichstages.

Verheiratet war er seit 1864 mit Clothilde Jordan, der Tochter des Deidesheimer Weingutbesitzers, Bürgermeisters und Landrats Ludwig Andreas Jordan. Er hatte zwei Töchter, Ida, die Gründerin des heute noch bestehenden Ida-Scipio-Hauses, eines Altenheims, in Mannheim und Hedwig, die mit Karl Freiherr von Gemmingen – Hornberg verheiratet war. Dieser war letzter kaiserlicher Bezirkspräsident von Lothringen zu Metz und das Ehepaar verbrachte den Lebensabend in Heidelberg.

Betrachtet man die Familiengeschichte näher, so finden sich über die Jordan-Linie durch Heirat Verbindungen zur bekannten Ettlinger Familie Buhl, die über eine lange Tradition als Parlamentarier verfügte. Somit hielt sich Ferdinand Scipio an die Familientradition. Der Mannheimer Generalanzeiger von 1890 berichtet über eine bemerkenswerte Rede Scipios im Berliner Reichstag, in der er sich zur Kolonialpolitik des Kaisers bekennt und sich vehement für eine Verbesserung der Qualität der militärischen Führung, besonders des Unteroffizierskorps, ausspricht. Als in Mannheim 1890 eine Feier zu Ehren des 90. Geburtstages von General Moltke stattfand, bei der alles, was in Mannheim Rang und Nahmen hatte, versammelt war, hielt Scipio die Festrede, bei der er Moltke als Verkörperung aller deutschen Tugenden pries. Im Jahr zuvor, beim Kaiser-Bankett am Geburtstag Kaiser Wilhelms II. war Scipio in Berlin, sandte aber der Mannheimer Festgesellschaft eine Depesche mit einem Hochruf auf den Regenten, die unter dem Jubel der Festgäste verlesen wurde. Hier wird das hohe Ansehen, das Scipio in seiner Heimatstadt Mannheim genoss, deutlich.

Nachfolgend der Wortlaut des Briefes, den Kommerzienrat Scipio an die Gemeinde Plankstadt sandte:
St. Moritz; 25. August 1895

An das Bürgermeisteramt Plankstadt

Die Rheinische Creditbank habe ich beauftragt, Ihnen M 1000 zu übersenden. Ich bitte Sie diese Summe zur Linderung der Noth der durch das Brandunglück betroffenen Einwohnern Ihrer Gemeinde verwenden zu wollen; füge den Wusch bei, dass die die einflussreicheren Bürger Ihrer Gemeinde, Ihre Mitbürger thunlichst veranlassen möchten, rechtzeitig für genügende Versicherung ihrer Habe zu sorgen.
Indem ich Sie meiner innigen Theilnahme gegenüber dem schweren Unglücksfall, durch den die Gemeinde betroffen wurde, versichere, zeichne

Hochachtungsvoll
F. Scipio

Bürgermeister Friedrich Treiber antwortete dem Spender mit einem Dankschreiben, in welchem er unter anderem schrieb:

Dem tückischen Flamento ist die ganze rechte Häuserreihe des sogenannten Gemeindegässchens welches sich in der Schwetzinger – Heidelberger Straße in der Nähe des Gasthauses zum Pflug abzweigt zum Opfer gefallen. Aus diesem Gemeindegässchen soll nun, wie im Ortsplan vorgesehen, eine schöne, breite Straße erstehen. Dieser Straße soll, sofern es Euer Hochwohlgeboren genehm ist, der Name Scipiostraße gegeben werden zum bleibenden Andenken an Euer Hochwohlgeboren.
...

Genehmigen Sie geehrtester Herr Scipio nochmals die Versicherung, dass die Gemeinde Plankstadt Eurer Hochwohlgeboren stets in Dankbarkeit gedenken wird, und zeichnen wir

Mit vorzüglicher Hochachtung

In die Tat umgesetzt wurde dieses Vorhaben allerdings nicht sofort, sondern erst nach einem Gemeinderatsbeschluss vom 20. Juni 1901 teilte Bürgermeister Peter Helmling dem edlen Gönner mit, dass es nunmehr in Plankstadt eine Straße mit seinem Namen gibt. Die zeitliche Verzögerung erklärte er mit den nach dem Brand notwendigen Um- und Neubaumaßnahmen sowie mit der damit verbundenen Straßenverbreiterung.

(Verfasser: Ulrich Kobelke)