Leichenhalle auf dem Plankstädter Friedhof wird 60 Jahre alt - Einweihung am 4. Juni 1937
Viel Schmerz und Tränen hat die Leichenhalle in Plankstadt seit ihrer Einweihung vor 60 Jahren gesehen, aber genauso viele tröstende Gebete für die Verstorbenen und ehrende Nachrufe auf die Verdienste wurden gesprochen.
Für viele mag es auch gerade an dieser Stätte ein befreiendes Gefühl sein, daß an diesem Ort gesellschaftliche oder soziale Unterschiede nicht mehr belasten können - denn im Angesicht des Todes sind alle Menschen gleich. Sicher ist das eine Begräbnis oder die Anteilnahme größer, aufwendiger oder gar prunkvoller als das andere, aber das alles ist Menschenwerk und dient häufig mehr den Lebenden als den Verstorbenen.
Zur Geschichte der Entstehung
In der entscheidenden Gemeinderatssitzung am 4. Februar 1936 waren folgende Personen anwesend: Bürgermeister Valentin Treiber als Vorsitzender, die Gemeinderäte Christian Eichhorn, Alois Gund, Franz Vögele, Johann Georg Treiber, Franz Schuhmacher, Fritz Kolb und Karl Würslin sowie die Beigeordneten Hermann Zimmer, Karl Weier und Heinrich Schleich. Auf der Tagesordnung stand u.a. der Vollzug des Grundstückserwerbs für die Erstellung einer Leichenhalle und die Planung für die zu erstellende Leichenhalle. Nachdem der Beschluß zum Erwerb des erforderlichen Grund und Bodens gefaßt war, wurde der Bürger/meister von den Ratsmitgliedern beauftragt, die erforderlichen Planungsmaßnahmen einzuleiten.
Damit das Gelände neben dem Friedhof für den Bau zur Verfügung gestellt werden konnte, war ein Grundstückstausch erforderlich. Die Grundstücke Lgb.Nr. 503 und Lgb.Nr. 502 im Gewann Grenzhöferweg-rechts mit einer Gesamtgröße von 43,59 ar wurden von den Landwirten Johann Georg Ott und Ludwig Zimmermann gegen andere Grundstücke in den Gewannen Kaigärten und Grenzhöferweg-rechts eingetauscht. Ein Blick in den Lageplan zeigt deutlich, daß mit diesem Geländeerwerb auch bereits die Weichen für die Friedhofserweiterung gestellt wurden, denn auf dem verbleibenden, dem Hasenpfad zuziehenden Teil der eingetauschten Grundstücke sollte über 20 Jahre später das erste neue Gräberfeld hinter der Leichenhalle entstehen.
Um sich ein besseres Bild zu verschaffen, wurde vom Gemeinderat eine Besichtigungsfahrt zu verschiedenen Leichenhallen in der Umgebung beschlossen. Diese Fahrt fand dann am 27. März 1937 statt. Nun wurden Angebote der Handwerker eingeholt, beraten und geprüft; man rechnete mit einem Kostenaufwand von 50.000 Mark. Am 10. Oktober 1936 wurde über Unternehmertätigkeiten beraten, Aufträge wurden vergeben und die Bauleitung lag in Händen des Mannheimer Architekten Dipl.Ing. Anton Johner.
Am 17. September 1936 erteilte das Badische Bezirksamt in Mannheim die Baugenehmigung und bereits am 15. Dezember 1936 war der Bau soweit gediehen, daß im Gasthaus "Badischer Hof" Richtfest gefeiert werden konnte. Mit leichtem Schmunzeln ist den Akten zu entnehmen, daß dabei "jedem beteiligten Bauhandwerker ein einfaches Essen und je Kopf 2 l Bier verabfolgt werden dürfen." Um jedwede Preiserhöhung auszuschließen, wurde der Preis für Essen durch Beschluß des Bürgermeisters vorher vereinbart.
Interessant sind auch die Vorgänge um die Beschaffung des benötigten Eisens von der Geschäftsgruppe der Rohstoffverteilung in Berlin. Bürgermeister Treiber hatte den Bedarf mit 2-3 Tonnen angegeben. Dieses Eisen konnte jedoch nicht zur Verfügung gestellt werden; es wurde auch strikt untersagt, daß die Gemeinde sich Eisen auf dem freien Markt beschafft. Die Berliner Dienststelle des Beauftragten für den Vierjahresplan, Hermann Göring, ging soweit, daß sie sogar die Einstellung des Baus in Erwägung zog, wenn auf das Eisen nicht verzichtet werden kann. Offensichtlich war durch die auf Hochtouren laufende militärische Rüstung in Deutschland alles verfügbare Metall gebunden. Dieses Schreiben aus Berlin war jedoch datiert vom 16. Juni 1937, zu einem Zeitpunkt, an dem die Übergabe der Halle bereits erfolgt war.
Somit stand im Juni 1937 die neue Halle, die ca. 500 Besucher – diese Zahl erscheint etwas hochgegriffen - fassen konnte, mit fünf Leichenzellen, einem Raum für die Geistlichen, einem Raum für Wärter und Friedhofsaufseher, einem Sezierraum sowie den Sanitärräumen zur Übergabe bereit. Die Bronzeglocke im Dachreiter, die von der renommierten Glockengießerei Franz Schilling in Apolda/Thüringen gegossen wurde, wog 115 Kilogramm und kostete 264,50 Reichsmark, einschließlich der Überbringung und des Zubehörs dann 465 Reichsmark.
Zu feierlichen Übergabe der Halle an die Bevölkerung am 4. Juni 1937 hatte Bürgermeister Valentin Treiber neben der Plankstädter Bevölkerung zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens und der Partei eingeladen; allerdings sind den Archivakten auch zahlreiche Absagen zu entnehmen, u.a. die der Bürgermeister von Schwetzingen, von Ilvesheim, von Brühl, des Badischen Landeskommissärs sowie des NSDAP-Kreisleiters Dr. Roth.
Dem damaligen Zeitungsartikel über die Einweihungsfeier am 4. Juni 1937, einem Sonntag, entnehmen wir folgenden Bericht: "Mit dem Gesamtchor der Vereinigten Gesangvereine "Forsche nach Gott" wurde die Feierstunde eingeleitet. Bürgermeister Valentin Treiber begrüßte am Portal der Leichenhalle die versammelte Gemeinde und die Gäste, unter denen sich Landrat Vesenbeckh (Mannheim) befand. Das Ortsoberhaupt betonte in seinen Ausführungen die Notwendigkeit der Leichenhalle, da in allen Volksschichten die räumlichen Verhältnisse oft so beschränkt sind, daß eine Leichenhalle ein unbedingtes Bedürfnis ist. Der Bürgermeister betonte, unter welchen Schwierigkeiten die Halle zum Wohle der Bürger entstanden ist und dankte allen beteiligten Meistern, Gesellen und Arbeitern. Eine ideelle Zusammenwirkung des Arbeiters der Stirne und der Faust sei bei diesem Projekt sinnfällig. Mit weiteren Chören, Harmoniumspiel sowie nationalen Liedern und dem Treuegelöbnis auf den Führer - wie in der Zeit der NS-Diktatur üblich (Anm. des Verf.) - wurde die eindrucksvolle Feier beschlossen."
Einem weiteren Bericht einer nicht näher bezeichneten Mannheimer Zeitung entnehmen wir aus einem Artikel über Plankstadt, in welchem der Neubau der Leichenhalle lobend hervorgehoben wird, daß zur Notwendigkeit des Baus der Halle durchaus unterschiedliche Auffassungen unter der Bevölkerung bestanden. Einige befürchteten, daß bei Verstorbenen, die genügend Platz zu Hause hatten, die Aufbahrung weiterhin im Familienkreis vorgenommen würde, während die beengt wohnenden Bürger zur Aufbahrung in die Leichenhalle "müssten" - also die Furcht vor einer Zweiklassengesellschaft. Die Verfügung aber, daß alle Verstorbenen ohne Ausnahme fortan in der neuen Leichenhalle aufgebahrt würden, konnte jedoch die Bedenken zerstreuen.
Bei der Schlußabrechnung ergaben sich nach einer Aufstellung des Architekturbüros Gesamtkosten in Höhe von 42.027,43 Reichsmark, was bedeutet, daß die ursprünglich veranschlagten Kosten um fast 8.000 Reichsmark unterschritten wurden, ein Phänomen, von dem man bei heutigen öffentlichen Bauvorhaben nur noch träumen kann.
Die Leichenhalle heute
In den sechs Jahrzehnten, die das Bauwerk nun steht, gab es natürlich mancherlei Erneuerungen, Renovierungsarbeiten und Verbesserungen, im wesentlichen hat die Halle jedoch ihr Gesicht behalten. Dachte man jedoch in der Bauzeit, daß sie allen Erfordernissen für alle Zeiten gerecht werden würde, so sehen wir heute, daß sie je nach Verstorbenem manchmal bei weiten nicht den erforderlichen Platz bietet; dieses Schicksal teilt sie jedoch mit allen anderen Leichenhallen. Insgesamt brachte die nüchterne Bauweise jedoch ein Gebäude hervor, das durch den Wechsel der Zeiten hindurch die Akzeptanz der Plankstädter Bevölkerung gefunden hat. Die im Bericht erwähnten hinzugekauften Grundstücke sind heute längst in den Friedhof integriert und neue Erweiterungen haben im Gewann Hasenpfad links in Richtung Grenzhof ihre Fortsetzung gefunden.
Rückblick auf das Bestattungswesen vergangener Tage
Ganz anders als heute, wo der Tod in den meisten Fällen ganz aus der Familie in den Bereich der Krankenhäuser und Bestattungsunternehmen verlagert ist, gehörte das Sterben und die damit verbundenen Umstände viel mehr zum familiären Bereich. Die Familie, Verwandte und Freunde des Verstorbenen nahmen im Sterbehaus Abschied von dem bis zum Beerdigungstermin aufgebahrten Leichnam. Die von der Gemeinde angestellte Leichenfrau übernahm das sogenannte 'Leichenansagen', indem sie im Ort von Haus zu Haus ging und den Tod sowie den Beerdigungstermin verkündete. Für diese Tätigkeit wurde sie mit einem kleinen Geldbetrag in den Häusern – ca. 2 – 5 Pfennige – entlohnt. Da jedoch immer mehr Menschen Tageszeitungen abonniert hatten und sich der Brauch der Todesanzeige mehr und mehr durchsetzte, wurde diese Tätigkeit durch die Gemeinde 1939 untersagt und die Vergütung für die Leichenfrau auf 8 Mark festgesetzt. Tatsächlich unterblieb das Leichenansagen bis 1945 auch; nachdem jedoch infolge des Zusammenbruchs keine Zeitungen mehr erschienen, wurde der alte Brauch wieder aufgenommen. Eine anonyme Anzeige mit der Bitte um Abschaffung wurde nicht bearbeitet. Der unbekannte Schreiber beklagte darin die Unsitte, daß die "Ansager" in despektierlicher Weise die gespendete Münze überprüften, ob der Wert auch ihren Vorstellungen entsprach. Erst im Januar 1953 untersagte der Gemeinderat auf Wunsch der Leichenfrau das Ansagen, da die Tätigkeit mehr und mehr unbeliebt wurde.
Am Begräbnistag erschien 10 min vor dem Termin der mit Pferden bespannte Leichenwagen; der Sarg wurde geschlossen, in den Wagen gebracht und der Trauerzug setzte sich vom Trauerhaus zum Friedhof in Bewegung. Nach Fertigstellung der Leichenhalle. gab es hin und wieder Ärger mit den Leichenwagenfahrern, wenn diese, da es sich meist um Landwirte handelte, zuerst ihre Feldarbeit verrichteten und erst dann die Überführungen zur Leichenhalle vornahmen; mehrmals sind Anweisungen an die Fahrer in den Archivakten zu finden, daß der Leichentransport unbedingten Vorrang habe, da die räumlichen Verhältnisse ein längeres Aufbewahren der Leiche im Sterbehaus oft unmöglich machten. Lukrativ waren die Beschäftigungen mit den Toten allerdings nicht: im Jahr 1938 lehnte das Bürgermeisteramt eine Erhöhung des Totengräberentgeltes um 1 Mark ab, da den Hinterbliebenen sonst Mehrkosten in Höhe von ca. 5.-Mark entstanden wären. Der Bürgermeister vertrat die Auffassung, der "in der Mehrheit minderbemittelten Bevölkerung" sei dies nicht zuzumuten. Der letzte große Leichenzug in Plankstadt, der dem Verfasser im Gedächtnis ist, fand bei der Beisetzung des katholischen Pfarrers Heinrich Grimm im Februar 1962 im Anschluß an das Requiem von der Pfarrkirche zum Friedhof statt.
Zu Beginn der 50er Jahre tauchte dann das erste Leichenauto eines Schwetzinger Unternehmers auf und langsam ging man von der Überführung durch das Pferdegespann ab. Noch im Februar 1951 allerdings entschied der Gemeinderat, es den Angehörigen zu überlassen, ob sie den Leichentransport mit dem bisher üblichen Pferdefuhrwerk oder mit einem Spezialauto durchführen lassen wollen.
Strenge Sitten auf dem Friedhof
Die Friedhofsordnung früherer Jahre war wesentlich strenger angelegt, als dies heute der Fall ist und auch sein kann. So existiert eine Bekanntmachung aus dem Jahr 1933, in welcher ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß "bei Leichenbegängnissen solchen Personen, die nicht zum Leichenzug gehören, sowie Kindern der Zutritt zum Friedhof nicht gestattet ist. ... Wir werden in Hinkunft strafend einschreiten, wenn vorstehende Anordnung nicht strengstens beachtet wird." Damit diese Anordnung auch befolgt wird, ordnet der Bürgermeister die Überwachung durch Polizei und Feldhut an. Genau festgelegt war auch, wie der Leichenbeschauer am Sterbeort vorzugehen hatte. Dieses Amt versah viele Jahre der Friseur Heinrich Bopp aus der Wilhelmstraße, bekannt als "Boppels-Rasierer.(auch "Bopps-Rasierer"). Wie aus Schreiben von Angehörigen von Verstorbenen zu entnehmen ist, war der Leichenbeschauer offenbar eine besondere Respektsperson, der man bei seinem Erscheinen im Trauerhaus mit ehrfürchtigem Schauder begegnete. Nach dem Ausscheiden von Heinrich Bopp 1951 ging dieses Amt an den unvergessenen Plankstädter Arzt Dr. Josef Goldhofer über; nach dessen Tod im Jahr 1961 übernahm Frau Dr. Anna Rösch dann das Amt.
Auch in neuerer Zeit herrschten auf dem Friedhof noch strenge Sitten: Bei Personen, die an Diphterie oder Scharlach gestorben waren, hatte das Gesundheitsamt noch 1950 das Singen der Schulkinder am offenen Grabe untersagt. Entsprechend gab es für die Leute, die in irgendeiner Weise mit der Leiche zu tun hatten, genaue Anweisungen für ihre Arbeit, damit Übertragungen von Krankheiten möglichst ausgeschlossen werden konnten. Aus dem Jahr 1949 ist eine ernsthafte Ermahnung und eine Strafandrohung für den Wiederholungsfall bekannt, als ein Ehepaar einen Kinderwagen mit zum Familiengrab nahm. Auch wurde erst dann auf eine Bestrafung zweier Kinder bzw. der Erziehungsberechtigten in einem Fall verzichtet, nachdem die Eltern die 'Abstrafung' der beiden der Gemeindeverwaltung gemeldet hatten: zwei zwölfjährige Mädchen, die Blumen auf das Grab der Verwandten stellen sollten, hatten dabei eine Handvoll kleiner Kiesel vom Nachbargrab zur Verzierung genommen und waren dabei erwischt worden!
Aufschluß über Gepflogenheiten, die an jeweilige politische Strukturen gebunden waren, gibt die Abschrift einer Verordnung der Geheimen Staatspolizei aus dem Jahre 1937, wo ausdrücklich auf gleiche Rechte bei "Gottgläubigen" und "Glaubenslosen" auf den Friedhöfen hingewiesen wird. Hintergrund der etwas verschleierten Verlautbarungen dürfte wohl die Tatsache sein, daß es je nach örtlicher Gegebenheit und Temperament zu Differenzen zwischen Ortsgeistlichen – besonders bei kirchlichen Friedhöfen - und Parteiangehörigen der NSDAP gekommen ist. In diesem Zusammenhang muß auch darauf hingewiesen werden, daß es sich bei der Leichenhalle nicht um ein "typisches Bauvorhaben der NS-Zeit" handelt, welches gegeignet erscheint, den kirchlichen Einfluß auf das Leben der Menschen zurückzudrängen. Unabhängig von den politischen Verhältnissen verweist die Stadtchronik von Schwetzingen im Jahr 1928 darauf, daß nunmehr alle Beerdigungen von der Leichenhalle auf dem Friedhof aus stattfinden. - Eine merkwürdig erscheinende Ergänzung der Friedhofsordnung hielt die Gemeinde im September 1940 für erforderlich: Verwundert wurde zur Kenntnis genommen, daß bei zahlreichen Angehörigen einer Konfession im Anschluß an die Beerdigung keinerlei Grabkennzeichnung erfolgte (Holzkreuz). Die Gemeinde änderte die Friedhofssatzung dahingehend, daß eine Kennzeichnung der Gräber angeordnet wurde. Dies betraf besonders die Zeit zwischen Beerdigung und Aufstellung eines endgültigen Grabmales.
Ob in heutiger Zeit alles besser geworden ist als in früheren Zeiten, wird jeder für sich beurteilen müssen. Behördliche Bestimmungen über die Friedhofsanlagen sind unumgänglich, pädagogische Ermahnungen hinsichtlich eines pietätvollen und angemessenen Verhaltens auf dem Friedhofsgelände sind heute in der individualistisch geprägten Gesellschaft nicht mehr gerne gesehen; der nachdenkliche Betrachter könnte sich jedoch gut vorstellen, daß sie auch heute hin und wieder ebenso angebracht wären.
(Verfasser: Ulrich Kobelke)