Erinnerungen an die Brandkatastrophe im Jahre 1900
In diesen Tagen jährt sich zum hundertsten Male ein Ereignis, das den alten Plankstädtern im Gedächtnis stets präsent war und das uns Jüngeren von den Großeltern bei jedem Brand in der Gemeinde oder auch bei Gewittern immer wieder erzählt wurde:
die Brandkatastrophe im nördlichen Ortsteil, denn allein vom Brand im Wieblinger Weg zu sprechen, wäre etwas verkürzt, immerhin waren auch im Grenzhöfer Weg und in der Leopoldstraße eine Reihe von Häusern oder Scheunen betroffen. Der Brand, über dessen Entstehung nichts Genaues bekannt ist, wurde durch einen sturmähnlichen Wind begünstigt, der brennende Strohballen durch die Luft trieb und so benachbarte oder auch weiter entfernt liegende Gebäude in Mitleidenschaft zog. - Vielleicht erinnern sich einige an den Großbrand im Bruchhäuser Weg im Jahr 1964 oder Mitte der 80er Jahre, als in der Eisenbahnstraße die Scheune abbrannte; damals standen wir auch im Hof und beobachteten besorgt brennende Strohteile, die über mehrere Straßenzüge hinweg durch die Luft wirbelten. Auch an den Großbrand bei Oskar Sessler in der Scipiostraße oder an die Tabakscheune in der Eppelheimer Straße wird die Erinnerung noch wach sein.
Zurück ins Jahr 1900: In der Nacht vom 26. auf den 27. August 1900 wurde Plankstadt von einer in ihren Ausmaßen furchtbaren Brandkatastrophe heimgesucht. Der materielle Schaden belief sich nach den damaligen Schätzungen auf über 300.000 Mark. Glücklicherweise waren bei dieser Katastrophe, die weit über das badische Land bekannt wurde, keinerlei Menschenleben zu beklagen. Das Plankstadter Bürgermeisteramt appellierte gemeinsam mit dem evangelischen Pfarramt (ein katholisches Pfarramt gab es zu dieser zeit noch nicht, da die Katholiken Plankstadts zur Schwetzinger Pfarrei zählten) an die Bevölkerung und bat in einem öffentlichen Aufruf um Kleider- und Geldspenden, da viele Familien vielfach nur das nackte Leben retten konnten.
Nach damaligen Augenzeugenberichten war das Feuer in der Nacht von Sonntag gegen 1 Uhr im nordöstlichen Teil des Wieblinger Weges ausgebrochen, wahrscheinlich in einer Scheune. Obwohl in größter Eile Hilfs- und Absperrmaßnahmen getroffen wurden, konnte nicht verhindert werden, daß das Feuer, vom Sturm begünstigt, auf die anderen Höfe der Nachbarschaft übergriff. Bereits nach einer knappen Stunde stand der ganze Wieblinger Weg und eine Seite der Grenzhöfer Straße sowie alles, was dazwischen lag, hellauf in Flammen. Plankstadt bot einen fürchterlichen Anblick. Die Flammen loderten so hoch, daß sie kilometerweit zu sehen waren.
Die Zeitzeugen berichteten, dass der Ort selbst vom Schreien und Jammern der Obdachlosen erfüllt war, die notdürftig bekleidet durch die Straßen irrten, ohne auch nur das Allernotwendigste gerettet zu haben. Das Vieh, von Panik ergriffen, suchte den Weg ins Freie und raste auf den Feldern umher, „mit seinem angstvollen Geblöke die Stille der Nacht schauerlich unterbrechend“.
Aus den Berichten geht hervor, dass die Feuerwehren der Nachbarschaft mit allen Plankstadter Wehrleuten, soweit sie in ihren Familien nicht selbst von diesem Unglück ereilt wurden, mit letztem Einsatz und vereinten Kräften alles aufboten, um den Hilfsbedürftigen erste Hilfe zu bringen. Nach stundenlangen vereinten Bemühungen konnte das Feuer einigermaßen eingedämmt werden. Nachdem erst am Montagmorgen ein Teil der Feuerwehren die Arbeiten einstellen konnten, bot sich den Beschauern dieser Katastrophe ein Bild des Grauens und Entsetzens: Zwischen den niedergebrannten Gehöften lag das verendete Vieh, die Luft war vom Gestank verkohlter Tierkadaver erfüllt. Inzwischen haben sich solche Bilder während zweier Weltkriege tausendfach wiederholt. Die Geschädigten waren umso schwerer betroffen, als die Ernte bereits eingebracht war und die Scheunen bis unters Dach mit Getreide und Heu gefüllt waren.
Die zur vorletzten Jahrhundertwende noch recht ungenügende Wasserversorgung trug weiterhin zur Ausbreitung des Brandes bei. In Plankstadt war man auf das Löschwasser der Keesgrieb angewiesen, die jedoch in diesem Jahr äußerst wasserarm war und zur Brandbekämpfung wenig taugte. Also musste das Wasser aus Schwetzingen herbeigefahren werden; man kann sich die Zeitspanne vorstellen, bis in Schwetzingen die Pferde angeschirrt waren, die Wasserfässer gefüllt und dann nach Plankstadt zum Brandort gefahren werden konnten. Da half dann auch die größte Solidargemeinschaft nichts mehr; bis die Hilfe vor Ort war, hatte der Brand riesige und kaum zu bewältigende Ausmaße erreicht. Die Katastrophe wurde auch bei der Regierung in Karlsruhe bekannt und Minister Eisenlohr besichtigte die Brandstätte.
Immer wieder wird der aufopferungsvolle Einsatz der Feuerwehren aus den umliegenden Ortschaften hervorgehoben. Während das Plankstadter Komitee – Bürgermeister Friedrich Treiber, der evangelische Ortspfarrer Heinzerling und der Schwetzinger katholische Pfarrer Ignaz Blöder – in seinem Aufruf „Wer helfen will, der helfe bald“ um Geld, Kleidungsstücke und Naturalien bat, hatten auch die übrigen Bürgermeister des Bezirks Schwetzingen durch das Großherzogliche Bezirksamt Listen zum Einzeichnen zugestellt erhalten. Acht Tage später ließen der Großherzog und die Großherzogin dem Hilfskomitee für die Brandgeschädigten in Plankstadt 500 Mark überweisen.
Aus einer amtlichen Feststellung geht hervor, daß sich der Schaden auf 62 völlig zerstörte Gebäude, darunter 15 Wohnhäuser, sowie 23 zum Teil beschädigte Gebäude (darunter 10 Wohnhäuser) belief. Der Gebäudeschaden betrug nach dieser amtlichen Schätzung 86.598,26 Mark, eine Summe, von der die Generalbrandkasse vier Fünftel und die Privatversicherungsgesellschaften ein Fünftel zu ersetzen hatten. Mit Ausnahme eines Gebäudegeschädigten waren alle mit dem Gebäudefünftel versichert. Dazu kam, wie bereits erwähnt, der weitere Schaden, der durch den Verlust von Vieh, Getreide und Futtervorräten entstanden war.
Die Plankstadter Feuerwehr war schon nach dem Großbrand des Scipiogässels im Jahr 1895 gegründet worden und sie war auch bitter nötig, wie sich fünf Jahre später zeigte. Unter ihrem Kommandanten Hermann Trunk hatte sich die Wehr vorteilhaft entwickelt und leistete gute Arbeit, aber ohne Wasser kann auch die beste Feuerwehr wenig ausrichten. Auch damals war die Solidarität der Bevölkerung groß gewesen und man erinnert sich besonders der großherzigen Spende von 1000 Mark durch den Mannheimer Kommerzienrat Scipio, nach dem aus Dankbarkeit das betroffene Gemeindegässel in Scipiostraße umbenannt worden war.