Das "Haisl" im Zentrum Plankstadts
Die Geschichte des Plankstädter Rathauskiosks oder im Plänkschter Sprachgebrauch "des Haisls" beginnt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945.
Der Plankstädter Georg Mitsch war schwer kriegsversehrt aus Rußland heimgekehrt und konnte seinen erlernten Beruf als Maschinenschlosser nicht mehr ausüben, da er in Rußland beide Hände verloren hatte. Um in Zukunft seine Existenz zu sichern und für sich und seine Frau Emmi eine Lebensgrundlage zu schaffen, beantragte er am 2. Oktober 1945 bei der Gemeinde die Genehmigung zum Bau eines Verkaufshäuschens für Tabakwaren und andere Kleinigkeiten (Zeitungen und Zeitschriften waren zu diesem Zeitpunkt
aufgrund des Papiermangels noch absolute Mangelware) auf dem Rathausplatz.
Der Gemeinderat unter dem damaligen Bürgermeister Georg Gerlach standen dem Gesuch des vom Schicksal so schwer Getroffenen sofort positiv gegenüber, man holte von Dipl.Ing. Nikolaus Stroh einen Plan ein und wollte in den Kiosk eine kleine Wartehalle für die Straßenbahnfahrgäste integriert wissen. Die Beratungen zogen sich dann – wahrscheinlich auch aufgrund der verworrenen Lage der Nachkriegszeit - über längere Zeit hin.
Das Bekanntwerden des Planes rief im Juni 1948 einen Mitbewerber auf den Plan, den Tabakhändler Georg Baust, der im Anwesen Franz Berlinghof in der Wilhelmstraße 9 an drei Nachmittagen in der Woche eine Tabakverkaufsstelle betrieb und nun ebenfalls die Möglichkeit zu einer Geschäftsgründung sah. Auf diesen Antrag antwortete Bürgermeister Baust mit dem Hinweis auf die bereits laufenden Planungen sowie mit der Erklärung, daß dem schwer kriegsbeschädigten Georg Mitsch von der Gemeinde der Vorzug zu geben sei. Die Anregung von Georg Baust hinsichtlich der Wartehallenintegration wurde jedoch dankend zur Kenntnis genommen. Die damaligen Vorplanungen sahen allerdings noch einen anderen Standort vor: demnach sollte der Kiosk weiter zurückversetzt mit der Rückwand zum Büchel'schen Anwesen (bei der heutigen Bebauung wäre das Häuschen etwa im Bereich des Cafés) zu stehen kommen.
Nach der Währungsreform wiederholte Georg Mitsch am 12. Juli 1948 seinen Antrag auf den Bau des Kiosks. Die Gemeinde erteilte wiederum positiven Bescheid, wies aber darauf hin, daß die Verzögerung durch die katastrophale Situation bei der Baustoffbeschaffung eingetreten sei und demnach eine Realisierung weiter aufgeschoben werden müsse. Als künftiger Inhaber sei jedoch weiterhin ausschließlich er vorgemerkt.
Wiederum richtete Mitsch am 22. März 1949 den Antrag auf Zustimmung zum Bau an die Gemeinde, da er nun Möglichkeiten zur eigenen Finanzierung sah. Die Gemeinde stimmte zu, wollte die Finanzierung jedoch selbst übernehmen und machte sich nun Gedanken über die Art der Ausführung.
Zur Diskussion stand eine Holzbauweise oder eine Steinbauweise, wobei man aus ästhetischen Gründen der Steinbauweise den Vorzug gab. Da die „Dachkonstruktion eine Ausladung von 0,60 m erhält, würde dies den Straßenbahnwartenden bei Witterungsunbilden schon einen kleinen Dachschutz bieten“ .
Am 19.4.1949 erfolgte im Gemeinderat der Baubeschluß, gleichzeitig wurde Herr Georg Mitsch als Mieter bestätigt.
Die Inbetriebnahme des Kiosks erfolgte am 15. Juli 1949 (in manchen Unterlagen wird auch der 1. September 1949 genannt). Im November wurde dann noch ein Elektroanschluß zur Innenbeleuchtung des Kiosks verlegt, damit man auch in den Wintermonaten noch in den Abendstunden geöffnet halten konnte.
Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sich der Rathauskisosk zu einer festen Institution in der Gemeinde. Feste Begriffe bürgerten sich ein; man ging weniger „an den Kiosk“, als vielmehr „zum Schorsch“ oder „ans Haisl“ "nuff oder vor" – je nachdem, wo man wohnte.
Über Jahrzehnte war das „Haisl“ aus dem Ortsmittelpunkt nicht wegzudenken. Am Montag wurden die Sportereignisse des Wochenendes, besonders natürlich die Fußballergebnisse der Plankstädter Vereine, noch einmal ausführlichst „dischbediert“, es wurde entschieden „wer ebbes war“ und „wer nix gebrocht hot“; wer „negschd Woch' uffgschdelld gherd und wer nedd“ oder ob es „ä Go(a)l war odda vielleischd doch nedd“. Natürlich firmierte der Schorsch auch als Nachrichtenzentrale erster Güte, denn hier bei ihm liefen die Plankstädter Fäden zusammen. Die Weltpolitik wurde von den Dauerstammkunden wie "dem Schatten" oder "der Kadett" mit dem Schorsch ebenso ausführlich besprochen wie das Kommunalgeschehen durch „die Hechel gezogen“ wurde; Witze wurden ausgetauscht und Anekdoten über den Mitsche-Schorsch, seinen urigen Humor und seine Schlagfertigkeit, aber auch seine Hilfsbereitschaft allen Ortunkundigen gegenüber, kursieren noch heute bei denen, die ihn kannten.
Nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus dem Geschäftsleben zum 31.12.1984 mußte man sich erst daran gewöhnen, daß der Schorsch nicht mehr an seinem angestammten Platz hinter dem Schiebefensterchen saß. Mit ihm war eine Ära zu Ende gegangen. (Georg Mitsch verstarb 1995 und seine Frau Emmi, der 1982 für ihre aufopfernde Pflege ihres Mannes das Bundesverdienstkreuz verliehen worden war, starb 1996. ) Erika Böhm übernahm am 1.1.85 den Kiosk und führte ihn bis zum 31.5.1997. Mit dem Bau des Gemeindezentrums und der Umgestaltung des Rathausplatzes waren auch die Tage des „Haisls“ gezählt. Am 9. Januar 1991 hatte auch seine letzte Stunde geschlagen und ‚das Haisl‘ fiel der Spitzhacke zum Opfer. Durch den Anbau des Kiosks am Gemeindezentrum verlagerte sich der Platz etwas und das neue Kiosk wurde sozusagen zum ‚Anhängsel‘ des Gemeindezentrums. Am 1. Juni 1997 übernahm Werner Kapp, auch ein Ur-Plänkschter "aus'm Viehweg", den Kiosk und bemüht sich mit seiner Familie, an alte Haisls-Zeiten anzuknüpfen - keine leichte Aufgabe in unserer schnellebigen Zeit! Dennoch sollte Wert darauf gelegt werden, daß sich die alten Traditionen wenigstens ansatzweise erhalten; die Kommunikation zwischen den Menschen sollte an solchen Orten wie einem Kiosk im Ortszentrum gepflegt werden – und der Kapp’s Werner bemüht sich nach Kräften darum.
(Verfasser: Ulrich Kobelke)