Die "Keesgrieb" und ihr Umland im Wandel der Zeit - Grüngelände im Ortskern wird Baugelände

Keesgrieb im Bau

Wenn in absehbarer Zeit nach dem Willen des Gemeinderats die Keesgrieb im Viereck Schwetzinger Straße, Ladenburgerstraße, Hildastraße und Wilhelmstraße mit Wohnhäusern bebaut werden wird, dann wird im alten Ortskern von Plankstadt ein geschichtsträchtiges Stück Land verändert werden, an dessen Bedeutung hier noch einmal erinnert werden soll.

Eugen Pfaff hat das ja früher schon verschiedentlich getan und auf seine Arbeiten stützt sich auch der vorliegende Bericht.

Die "Keesgrieb" ist wohl eines der Gebiete innerhalb des Plankstädter Ortsetters, das im letzten Jahrhundert wohl die meisten Veränderungen seiner Nutzung erfahren hat. Gleichzeitig gehört das Gelände zum ganz alten Ortskern von Plankstadt, denn es liegt ja in unmittelbarer Nähe des alten Ortsetters, den wir uns im Bereich „Kreuzgasse“ (Ladenburgerstraße, Eisenbahnstraße und jeweils ein Stück der Schwetzinger Straße und der Eppelheimer Straße) vorstellen müssen. Anzunehmen ist, daß dort in früher Zeit die Plankstädter Kies gegraben haben: Kiesgrube = Keesgrieb! Bereits 1832 (wahrscheinlich auch früher) diente das Loch oder besser, die Senke zur Abwasseraufnahme. Am 15. Juni 1832 beschloß der Gemeinderat, daß "Ableitgräben in den großen Wasserbehälter hinter den Gärten" errichtet werden. Als Kosten wurden 170 Gulden angegeben. Aus Kostengründen wurde eine Ausmauerung dieser Gräben unterlassen. Für die Privatgrundstücke, durch die diese Gräben führten, wurde eine Entschädigung gezahlt, da besonders bei starkem Regen die Gärten in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Beim Abriß des alten Geiser‘schen Hauses in der Ladenburgerstr. 7 stieß man auf Reste alter Kanalisationsanlagen in kiesfreiem, schwarzen Boden. Es handelte sich um einen gemauerten Kanal, der der Keesgrieb zuzog. Bei näheren Nachforschungen über dieses Gelände ergab sich folgendes Bild:
Bodenbeschaffenheit und Geländeformation in diesem Bereich deuten auf einen alten Seitenarm des Neckars hin, der sich über die Keesgrieb – Leopoldstraße bis an die nördliche Gemarkungsgrenze hinzog. Als die Ladenburger Straße noch nicht zum bebauten Ortsteil gehörte (und vielleicht auch noch später), befand sich an dieser Stelle die sog. „gemeine Weed“ (Pferdeschwemme). Infolge des natürlichen Gefälles diente diese Stelle lange Jahrhunderte dem Ansammeln des Regenwassers. Den Überlauf leitete man später in einem Graben zur Keesgrieb. 1570 war die Ladenburger Straße schon überwiegend bebaut. Die heutigen Hausgrundstücke 7 und 9 bildeten eine Ausnahme und wurden von Hans Treiber als Gartenland genutzt. 1613 hatte es Peter Merkel in Pacht. Nach dem 30jährigen Krieg wurde das Grundstück geteilt und die Bewirtschafter waren 1713 Hans Jakob Spieß und Philipp Marx. Bis 1743 teilte man die südliche Hälfte noch einmal und den Teil an der Keesgrieb erhielt Friedrich Marx (heute Garten zu Haus Schwetzinger Str. 14 – Nachkommen des früheren Sparkassenrechners Seitz.) und das Reststück Nikolaus Berger. Letzterer war 1732 – 1758 katholischer Schulmeister. Er war in Schneeberg (Kurmainz) geboren und seine Zöglinge hat er sicher auf diesem Grundstück unterrichtet.

Das Lagerbuch von 1743 gibt eine Besonderheit preis. Hier heißt es: „Vor Vorgemeltem des Fridrich Marksen und Nikolaus Bergers Hauß ist die gemeine Weed gelegen; und sind dieße Beyde Häußer wegen des abflußes der gemeinen Weed beth Frey“ Mit „beth“ ist die sog. Bede gemeint, die ursprünglich eine Abgabe für Allmendnutzen sein sollte, aber nach Besitzverhältnissen erhoben wurde. Sie war eine regelmäßige ordentliche Steuer in gleichbleibender Höhe. An Weihnachten und im Mai mußten im Mittelalter die Dorfbewohner je 4 Pfund Heller und zur Erntezeit 40 Malter Korn aufbringen. Mit der Abschaffung der Feudallasten im 19. Jahrhundert wurde diese Abgabe nach einem bestimmten Schlüssel zu 156 Gulden für die Geldbede und 1.071 Gulden für die Kornbede abgelöst. Zum Zeitpunkt der Ablösung waren 16 Gulden und 18 Malter Korn jährlich zu geben. Leibeigene hatten die Leibsbede zu entrichten. Diese war für Plankstadt jedoch uninteressant, da in den Orten der Zent Kirchheim schon sehr früh die Leibeigenschaft abgeschafft wurde. Ausgangs des Mittelalters war sie dann in der ganzen Kurpfalz nur noch im Blick auf die Freizügigkeit (Heiratserlaubnis, Ortswechsel) von geringer Bedeutung.

Das Berger’sche Grundstück, um das es hier geht, befand sich 1743 bereits im Erbbestand. Für die Grundfläche mußten 4 Kreuzer und 2 5/8 Heller an Geld und drei Viertel eines Huhnes als Erbzins entrichtet werden.

Noch 1799 ist die „gemeine Weed“ als Abwassersammler nachweisbar. Neben ihr gab es noch einen zweiten Abwasserteich in der Eppelheimer Straße gegenüber der Einmündung der Scipiostraße. Dieser wurde 1831 an Georg Adam Leonhard (16.7.1756 - 4.7.1849) verkauft, der damals das Jesuitenhaus (Eppelheimer Str.2) zu eigen besaß. Die Grabplatte seiner letzten Ruhestätte findet sich heute an der St.Peterskirche in Heidelberg. Offenbar hat zu diesem Zeitpunkt auch die „gemeine Weed“ als Teich zu bestehen aufgehört, denn vor Erbauung des eingangs genannten Wohnhauses ein Jahr später mußte die Leitung bereits in der Erde gelegen haben. Der Kanal selbst erfüllte seine Funktion bis die Keesgrieb 1908 keine Abwässer mehr aufnahm.
Dieser Wasserbehälter war für die Plankstädter Buben ein beliebter Aufenthaltsort: im Sommer wurde so manches (Schlamm-) Bad genommen und im Winter huldigte man dem beliebten Sport des Eisschollenreitens. Von diesen Kinder- und Jugendbelustigungen wußte auch mein Großvater noch zu berichten. Immerhin hatte kein geringerer als der erste Plankstädter Ehrenbürger Dr. Paul Bönner auf die belebende, reinigende, abhärtende und regulierende Wirkung des Wassers hingewiesen, auch wenn er die starke Verschmutzung des Wassers nicht verhehlte. Auch die Landwirte ritten oft ihre Pferde in das trübe Wasser. 1886 wurde von einer teilweisen Einebnung und Anpflanzung von Kirschbäumen gesprochen. Es war auch von einer Ableitung des Wassers in das neue Kiesloch im 1851er Rott (heutige Gänsweid) die Rede. Gute Dienste leistete die Keesgrieb auch als Löschwasserspender, allerdings war sie beim großen Brand im Wieblinger Weg vom 26.8.1900 leer und das Löschwasser mußte aus Schwetzingen herbeigeführt werden.

Nachdem die Ortskanalisation gebaut war, wurde dieses Sammelbecken überflüssig und man benützte es als Schuttabladeplatz. Nach dem Krieg wurden auf dem vorgelagerten Raum zwei ausgediente Eisenbahnwagen als Notwohnungen aufgestellt (daher rührt der bei vielen noch bekannte Begriff "D-Zug-Straße") und im Jahr 1919 auch die Kleinwohnungen auf der rechten Seite erbaut. 

Bald war durch die Auffüllung aus dem Loch ein - allerdings etwas tiefer liegender - ebener Platz entstanden. Wieder ritten die Reiter durch die Ludwigstraße, allerdings nicht zum Baden der Tiere, sondern zum Reitsport.
An einem Sonntagnachmittag konnte man dort den gesamten Pferdebestand Plankstadts bewundern, allerdings handelte es sich bei diesem Auftrieb um die Ausmusterung der Tiere zum Kriegsdienst. Im Kriege wurde die Keesgrieb zum Gartenland. Später wußte man nicht so recht, was man mit dem Gelände machen sollte. Manche wollten Kleinindustrie ansiedeln, andere sprachen von einem günstigen Platz für ein neues Schulhaus und wieder andere wollten dort den künftigen Meßplatz sehen. Durch den Zuzug der zahlreichen Heimatvertriebenen kam es jedoch zu einer großen Wohnraumnot in Plankstadt und so wurde das Gelände wieder einer anderen Nutzung zugeführt. Zunächst wurde ein Behelfsheim aus Holz erstellt, danach errichteten einige Flüchtlingsfamilien in Eigenarbeit Behelfswohnungen und die Gemeinde selbst erbaute einige Kleinwohnungen.

Noch ist nicht abzusehen, wie sich uns und unseren Nachfahren die Keesgrieb in Zukunft präsentieren wird. Sie wird jedenfalls ganz anders aussehen und an ihre ursprüngliche Bestimmung wird nicht mehr viel erinnern. Beim Blick von oben auf Plankstadt fällt auch das viele Grün in der Keesgrieb auf, das nach einer Bebauung zumindest zum größten Teil verschwunden sein wird – ein Umstand, der bei der steten Kritik an der zunehmenden Flächenversiegelung nachdenklich stimmt. Bleibt zu hoffen, daß wenigstens bei der Vergabe eines Straßennamens im neuen Wohngebiet an die alte Keesgrieb gedacht wird.

(Verfasser: Ulrich Kobelke)