100 Jahre Automobil in Plankstadt

das erste Auto in Plankstadt

Allen Medien, nicht nur die regionalen, sind in diesem Jahr voll von Berichten und Fotos zum 125-jährigen Jubiläum des Automobils, ein Ereignis, das untrennbar mit dem Namen Benz verbunden ist und zu Recht erinnert man an dieses bahnbrechende und zukunftsweisende Geschehen damals und feiert es an den damit verbundenen Orten.

Darüber sollen aber auch lokale Ereignisse und Erinnerungen an innovative Mitbürger vor Ort nicht ganz aus dem Blickfeld geraten. So kann man in Plankstadt auf den Schlossermeister Georg Hüngerle hinweisen, den Sohn des „Exbedidders“ ( = Expeditors) Wilhelm Hüngerle, der zu seiner Zeit sicher als besonders fortschrittlich gegolten hat. Der Name „Expeditor“, mit dem die ganze Familie fortan zur besseren Unterscheidung bezeichnet wurde, hat seinen Ursprung im Beruf. Nachdem die Bahnlinie Heidelberg – Schwetzingen – Speyer in Betrieb war, wurde auch in Plankstadt täglich Stückgut per Bahn angeliefert und dem Expeditor oblag es, dieses vom Bahnhof mit Handkarren oder Fuhrwerk zu den Adressaten im Ort zu bringen. 

Georg Hüngerle (1872 – 1954) erwarb im Jahre 1911 – also vor 100 Jahren – das erste Automobil und bewegte sich damit als erster Plankstädter Autofahrer durch die Ortsstraßen. Dass dies damals eine Sensation für die Bevölkerung war, ist verständlich, gab es doch abseits der Schiene außer der eigenen oder der tierischen Muskelkraft noch keine anderen Fortbewegungs- oder Transportmethoden. So waren beim Fahren durch die Ortsstraßen auch besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, denn ab und zu kreuzte schon mal Kleinvieh wie Hühner oder Gänse die Straßen, Kinder spielten dort und rannten johlend hinter dem Automobil her, am Straßenrand blieben die Leute stehen und schauten skeptisch zu. Dazu durften die allgegenwärtigen Pferde möglichst wenig erschreckt werden, damit sie nicht scheuten und „durchgingen“. 

Fahrschulen gab es noch nicht und so besaß Georg Hüngerle einen handgeschriebenen Führerschein, der von der Polizeidienststelle ausgestellt worden war. Bald verkaufte Georg Hüngerle das Fahrzeug, mit dem er meist nur am Sonntag fuhr, an den Schreinermeister Heinrich Gaa weiter, der daher fortan der „Auto-Heiner“ genannt wurde.

Georg Hüngerle war nicht nur ein hervorragender Schlossermeister, sondern ein Freund moderner Technik und ein Tüftler. Als Kanonier der Badischen Feldartillerie hatte er mit viel mit Technik zu tun und nahm die Neuerungen der späten Kaiserzeit begeistert auf. In seinem Besitz befand sich um 1905 bereits ein Lokomobil, also eine fahrbare Dampfmaschine, die aber mehr Gebrauchsmöglichkeiten bot als das Automobil. Über Schwungrad und Riemen wurde mit diesem Gerät die Dreschmaschine betrieben, mit der am nahe gelegenen Dreschplatz die Bauern ihr Getreide droschen. Anders als beim Automobil leuchtete diese technische Neuerung jedem ein, konnte man sich damit die bäuerliche Arbeit wesentlich erleichtern. Doch darüber wird noch in einem gesonderten Artikel zu berichten sein.

Das erste Auto in Plankstadt 1911

Durch Vergleiche verschiedener Automobiltypen in Deutschland vor dem 1. WK und der Beschriftung "Oberspree" auf der Hülle des Ersatzreifens konnte das Fahrzeug mit hinreichender Sicherheit identifiziert werden:
 
Hersteller: N.A.G. (Neue Automobil Gesellschaft GmbH), Berlin-Oberschöneweide
 
Bauart: PKW offen mit Klappverdeck, Rechtslenker
 
Kennzeichen: IV B – 5825 (IV B steht für das Grossherzogtum Baden)
 
Typ: K 2 Darling 6/18 PS, 3-Gang-Getriebe
 
Motor: 4-Zylinder Reihenmotor, 1466 ccm, 18 PS
 
Bauzeit: 1911 – 1914
 
Höchstgeschw.: 65 km/h
 
Verbrauch: ca. 15 Liter/100 km
 
Kaufpreis: ca. 9 500 – 11 000 Goldmark (je nach Ausführung)
 
Eigentümer: Schlossermeister Georg Hüngerle, Waldpfad 12, Plankstadt/Baden
 
Im Jahr 1901 errichtete die Elektrofirma AEG im Kabelwerk Oberspree eine Tochtergesellschaft unter dem Namen "Neue Automobil Gmbh". Die NAG liess zunächst ihre PKW und später auch Nutzfahrzeuge (LKW, Busse) auf Rechnung bei der AEG-Automobilabteilung produzieren. 1908 ging die gesamte AEG-Automobilproduktion an die NAG über. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise fusionierte die Gesellschaft 1930 mit der Fa. Büssing zur Büssing-NAG AG.

UK (Quellen: Heimatbuch, Gemeindearchiv und Winfried Wolf)