Ein Plankstädter Haus mit alter Tradition: Das ehemalige Gasthaus "Zum Hirsch" in Plankstadt

das ehemalige Gasthaus

Geht man im Jahr 2014 in der Schwetzinger Straße am Haus Nr. 26 direkt neben dem Rathaus heute vorbei, so glaubt der Ortsunkundige dem äußeren Schein nach, er habe noch immer ein Gasthaus vor sich.

Dieser Eindruck täuscht jedoch: sei einigen Jahren ist das Gasthaus geschlossen und die Besitzer haben im Innern mit Einverständnis der Denkmalsbehörde bereits einige Veränderungen hin zur Wohnnutzung vorgenommen. Die Abmeldung des Gastgewerbes erfolgte zum 31. Dezember 2008.

Der Hirsch war die letzte Gaststätte in Plankstadt, die sich auf das sogenannte Realrecht berufen konnte, d.h. das Recht, eine Gaststätte mit Beherbergungsbetrieb zu führen, ruht auf dem Grundstück. Dieses Recht ist nicht an Personen gebunden, erlischt jedoch, wenn die Gaststätte länger als drei Jahre geschlossen bleibt. Früher lag ein solches Realrecht noch auf dem Gasthaus „Zum goldenen Pflug“ an der Ecke Ladenburger- / Eppelheimer Straße; dieses schloss jedoch bereits im Jahr 1938 und wurde 1978 aus verkehrstechnischen Gründen abgerissen. Es handelte sich beim Pflug um ein markantes Gebäude aus rotem Buntsandstein; bei Abriss wurden viele der Steinquader beim Bau der Grillhütte in der Gänsweid verwendet.

Und wieder kann man beim Hirsch einen wehmütigen Rückblick tun: Der Hirsch als Gasthaus im Zentrum war lange Zeit ein wichtiger Treffpunkt der Leute, der Gesangverein Amicitia hatte hier jahrzehntelang sein Domizil. Freitags war Singstunde und anschließend saßen die Sänger noch beim Bier zusammen, manche spielten eine Runde „Gselles“ – ein Kartenspiel, das heute fast ganz niemand mehr kennt. Der Stammtisch neben dem Kanonenofen vor der Theke war – wie in den anderen Gasthäusern auch – ein wichtiger zentraler Ort zum Meinungsaustausch – zumal man sich ja in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathaus befand.

Ein Wirtshaus alter Prägung steht für Geselligkeit und Politik gleichermaßen. Dieser halböffentliche Raum bot schon immer die Gelegenheit für konspirative Zusammenkünfte, in früheren Zeiten oft unter misstrauischer Beobachtung der Obrigkeit, die sich auch nicht scheute, Spitzel in die Wirtshäuser zu schicken oder die Versammlungsverbote aussprach. Man denke nur an den „Salmen“ zu Philippsburg, wo im Jahre 1848 Friedrich Hecker die „Forderungen des Volkes“ proklamierte. Vielerorts ist das Gasthaus der Versammlungsort politischer Eliten oder galt gar als kommunaler „Regierungssitz“, wenn das Amt des Bürgermeisters in Personalunion mit dem Beruf des Wirts ausgeübt wurde. Wahl-versammlungen fanden und finden in Wirtshäusern statt, wo schlagende Argumente durchaus auch mit Unterhaltungswert ausgetauscht wurden. Hier war eine besondere Art der „Ausdauer“ oft gefragt, wie sich der württembergische Demokrat Friedrich Payer (1847 – 1931) erinnert: „Trinkfestigkeit war für einen Kandidaten fast unentbehrlich…“. So symbolisiert der Stammtisch mit seinen ungeschriebenen Regeln bis heute die „volksnahe“ politische Kommunikation. –

Aber die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Natürlich wird an Stammtischen auch heute noch Politik gemacht, aber wo gibt es diese alten traditionellen Stammtische überhaupt noch? Als Treffpunkt der überwiegend in der Landwirtschaft tätigen Männer nach vollendetem Tagwerk ist er längst passé; die Gemeinden sind überwiegend zu Schlafstätten der Berufspendler geworden und diese streben nach ihrer Heimkehr am Abend äußerst selten ins Wirtshaus, um sich mit anderen auszutauschen. Die meisten der noch bestehenden Gaststätten sind nicht mehr wie früher im Familienbesitz, wo alle Familienmitglieder den Betrieb durch ihre Mithilfe getragen haben. Die Gastwirte früher betrieben Landwirtschaft, die Ehefrau oder die Eltern führten tagsüber die Wirtschaft; oft waren die Wirte auch noch Metzger und verkauften ihre Waren in der angeschlossenen Metzgerei. Dagegen haben die Pächter heute hohe Kosten für Pacht oder Personal aufzubringen und können von ein paar Glas Bier am Abend nicht mehr leben. Das Gasthaussterben in ganz Deutschland bis hinein in die rein ländlichen Bereiche in Bayern und Norddeutschland spricht eine deutliche Sprache und in vielen Dörfern Deutschlands gibt es heute kein einziges Dorfgasthaus mehr.

Zurück zum Plänkschter „Hirsch“: Erstmals ist im Jahr 1743 auf dem Grundstück Schwetzinger Straße 26 ein Gasthaus „Zum goldenen Hirsch“ nachzuweisen. Der Landwirt Valentin Gaa, Straußwirt und Maurermeister, betrieb das Haus. Durch die „Churfürstlich Pfälzische Hofkammer“ wurde seinem Sohn Adam Gaa am 12. Oktober 1782 für das Grundstück das Realrecht verliehen. An Georg Adam Gaa Witwe wurde am 13. April 1828 das Schildrecht verliehen.

Als Gebäudefläche besteht das Grundstück seit 1570 fast unverändert, wobei es natürlich kleinere Grenzveränderungen gab. Wie fast alle Grundstücke im Ortsetter stand auch dieses Grundstück im Eigentum des Zisterzienserklosters Schönau, bzw. der Pflege Schönau als Rechtsnachfolgerin und wurde wohl im 13. Jahrhundert erstmals zur Bebauung freigegeben. Um 1570 bildete das Grundstück den westlichen Ortsrand von Plankstadt und stieß hinten auf die „Keesgrüben“. Beständer war damals ein Hans Bechtold. Auf dem danebenliegenden Grundstück des heutigen Rathauses ist nach Renovationsbüchern erstmals 1613 ein Wohngebäude festzustellen und 1743 ist auf der Fläche der heutigen Wilhemstraße und des Sparkassengebäudes (vormals Anwesen Jakob Hahn) ein Wohngrundstück verzeichnet. Ortserweiterungen vollzogen sich in früheren Jahrhunderten viel langsamer als heute und das Gasthaus Hirsch rückte erst im Laufe der Zeit ins Ortszentrum. In den Akten des Gemeindearchivs taucht der Hirsch immer wieder auf; 1780 etwa als Wirtschaft und Krämerei. Der vordere Teil des Hauses wurde von Adam Gaa 1834 erbaut. In die Hände der Familie Heid, die bis heute Besitzer ist, kam das Haus im Jahre 1908. Es ist bemerkenswert, dass dieses Gasthaus in den 220 zurückliegenden Jahren lediglich im Besitz nur zweier Familien war.

Eine umfassende Neuregelung erfuhr das Gaststättenrecht im 19. Jahrhundert. Nach 1834 unterschied man drei Wirtschaftsrechte: Gastwirtschaften (Speise, Getränke, Beherbergung), Schank- und Speisewirtschaften – Restaurationen – (Speise, Getränke), Bier- und Branntweinwirtschaften (auch kalte Speisen). Ab dem Jahr 1870 sollte das Realrecht nach einem Gesetz nicht mehr verliehen werden. Bestehende alte Rechte erloschen, wenn das Haus länger als fünf Jahre, nach heutigem Recht länger als drei Jahre geschlossen bleibt.

Man mag heute beim Anblick des geschlossenen Gasthauses „Zum Hirsch“ in wehmütigen Erinnerungen schwelgen – zu ändern aber wird die nun geschaffene Realität schon durch die Umbaumaßnahmen im Innern nicht mehr sein.


UK (Foto: Kobelke)
2014